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Seelenklempner und Hirnforscher

Psychologen und Neurowissenschaftler sind sich oft nicht grün, weil jeder sein Fachgebiet für geeigneter hält, um die menschliche Seele zu erklären. Heinz Böker und Erich Seifritz wollen mit ihrem Buch "Psychotherapie und Neurowissenschaften" einen Dialog dieser beiden Seiten erreichen und die Schnittstellen und Gemeinsamkeiten aufzeigen.

Ihr Werk ist aus einer Vortragsreihe entstanden. Es bündelt die Referate renommierter Experten, ergänzt um weitere Beiträge, und kommt insgesamt auf 650 Seiten. Die Autoren sind Neurowissenschaftler, Psychotherapeuten und klinische Forscher; sie beschäftigen sich vor allem mit der Leib-Seele-Problematik aus der Perspektive neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, etwa aus der Epigenetik oder Bindungsforschung. Auch klinische Aspekte kommen zur Sprache, unter anderem die Frage, ob aktuelle neurobiologische Befunde in der Psychotherapie umgesetzt werden können. Führen diese Befunde zu neuen, anderen Psychotherapien? Wird sich dadurch der Umgang mit psychischen Erkrankungen ändern? Auf solche Fragen geht das Buch ein.

Im ersten Abschnitt erfährt der Leser etwas über die verschiedenen Sichtweisen von Psychologen und Neurowissenschaftlern und ihre Kontroversen. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit Psychotherapie. Im dritten geht es um aktuelle neurowissenschaftliche Befunde zu wichtigen psychiatrischen Krankheitsbildern, etwa das Borderline-Syndrom, Depressionen, Schizophrenie, Angststörungen oder die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivititätsstörung. Schließlich beleuchtet das Werk die Perspektiven neurowissenschaftlicher Forschung im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie.

Eine große Rolle spielt der "Aufbau des Psychischen im Gehirn". Die Autoren unterscheiden vier Ebenen, auf denen psychisch-emotionale und kognitive Prozesse stattfinden. Sie stellen heraus, dass die mittlere limbische Ebene verbunden ist mit Bedürfnisbefriedigung und -steigerung, Lust und Schmerz. Daher sei diese Ebene für psychische Vorgänge entscheidend, und an ihr müsse die Psychotherapie ansetzen.

Auch auf evolutionsbiologische Aspekte geht das Werk ein. So gebe es starke Zusammenhänge zwischen der biologischen Evolution und dem Sozialverhalten. Selektionsprozesse spielten eine wesentliche Rolle bei der Anpassung der Organismen an ihre Umgebung und damit auch bei der Herausbildung von Sozialstrukturen. Die Evolution bringe nicht nur aggressive Konkurrenz hervor, sondern auch ein fein verästeltes Netzwerk an Interaktionen zwischen Individuen.

Andere Autoren befassen sich mit der spannenden Frage, wie das komplizierte menschliche Nervensystem aus dem vergleichsweise einfachen des Wurms hervorgehen konnte. Konzise erklären sie die Begriffe "Gefühl" und "Verhalten" und erläutern die Entwicklung von primitiven zu komplexen Emotionen, an deren Ende das soziale Gehirn stehe. Dabei behandeln sie auch Veränderungen auf zellulärer Ebene. Sie belegen, dass Emotionen unsere soziale Interaktionsfähigkeit steuern und somit für unser Denken und Handeln von herausragender Bedeutung sind.

Das Buch ist kurzweilig, angenehm zu lesen und enthält viele Verweise auf weiterführende Literatur. Es ist allen zu empfehlen, die sich für Neurobiologie und Psychologie interessieren.

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