Mut zur Deutung
Noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wagten Religionswissenschaftler wie Mircea Eliade überregionale Deutungen zum Glaubensleben vorschriftlicher Kulturen. Doch seitdem üben sich Forscher immer stärker in Zurückhaltung. Die Gründe sind einerseits die schnell wachsende Zahl an Fundorten und -mengen, andererseits das zunehmende Bewusstsein dafür, dass Interpretationen immer auch von persönlichen Annahmen geleitet sind. Eine unschöne Folge: Die Erforschung der Vorgeschichte zersplittert zunehmend in auseinanderdriftende Spezialdiskurse.
Eine rühmliche Ausnahme in dieser Hinsicht ist die Religionswissenschaftlerin Ina Mahlstedt. Seit Jahren bereist sie bronzezeitliche Grabungsstätten und Lebensräume von Bauernvölkern, die Naturreligionen anhängen. In "Rätselhafte Religionen der Vorzeit" verknüpft sie etablierte Literatur mit eigenen Beobachtungen und Kulturvergleichen. So seien die religiösen Traditionen früher Ackerbaukulturen in den Zyklen aus Werden und Vergehen, Wasser und Erde zu verstehen. Dieses Schema wendet die Autorin auf verschiedene Kontexte an: das Heiligtum von Göbekli Tepe in Anatolien, das frühe Ägypten, die nordisch-germanischen Mythen und Felszeichnungen sowie die – noch heute lebendigen – Traditionen peruanischer Bergbauern.
Das Buch hat seine Schwächen. Neuere Beiträge aus den Naturwissenschaften werden nur vereinzelt rezipiert. Oft gerät die Abgrenzung zur vermeintlichen Provinzialität "der Archäologen" oder "der Ägyptologen" allzu schroff. Der Statusverlust von Frauen infolge des Übergangs zum Ackerbau wird zwar implizit anhand der geschilderten Mythen deutlich, aber nicht erklärt. Teilweise wird das Bild edler, naturnaher und friedfertiger Gesellschaften überstrapaziert.
Insgesamt aber überwiegen die Stärken. Dazu zählen eine sachliche, schwungvolle Sprache sowie ein Angebot an gelungenen Bildern und Zeichnungen. Mahlstedt gelingt es oft, bislang isolierte Funde in neue Zusammenhänge zu bringen und überraschende Parallelen verschiedener Kulturen aufzuzeigen. Die Dichte der angeführten Belege ermöglicht dem Leser dabei, die vorgeschlagenen Hypothesen kritisch zu prüfen. Meist schließen Mahlstedts Entwürfe überzeugend an die Kenntnisse über spätere Religionen mit schriftlichen Zeugnissen an.
Die Darstellung überzeugt auch dort, wo schwierige Themen wie Menschenopfer oder der Missbrauch germanischer Mythologie durch das NS-Regime angesprochen werden. Interessierte können hier spannende und vielfach neue Varianten zu Geschichte und Glaubenswelten der ersten Ackerbauern und ihrer Heiligtümer genießen. Fachleute dürfen sich auf eine Menge anregender Hypothesen freuen, die neue archäologische Erkenntnisse und kulturwissenschaftliche Klassiker originell verknüpfen.
Eine rühmliche Ausnahme in dieser Hinsicht ist die Religionswissenschaftlerin Ina Mahlstedt. Seit Jahren bereist sie bronzezeitliche Grabungsstätten und Lebensräume von Bauernvölkern, die Naturreligionen anhängen. In "Rätselhafte Religionen der Vorzeit" verknüpft sie etablierte Literatur mit eigenen Beobachtungen und Kulturvergleichen. So seien die religiösen Traditionen früher Ackerbaukulturen in den Zyklen aus Werden und Vergehen, Wasser und Erde zu verstehen. Dieses Schema wendet die Autorin auf verschiedene Kontexte an: das Heiligtum von Göbekli Tepe in Anatolien, das frühe Ägypten, die nordisch-germanischen Mythen und Felszeichnungen sowie die – noch heute lebendigen – Traditionen peruanischer Bergbauern.
Das Buch hat seine Schwächen. Neuere Beiträge aus den Naturwissenschaften werden nur vereinzelt rezipiert. Oft gerät die Abgrenzung zur vermeintlichen Provinzialität "der Archäologen" oder "der Ägyptologen" allzu schroff. Der Statusverlust von Frauen infolge des Übergangs zum Ackerbau wird zwar implizit anhand der geschilderten Mythen deutlich, aber nicht erklärt. Teilweise wird das Bild edler, naturnaher und friedfertiger Gesellschaften überstrapaziert.
Insgesamt aber überwiegen die Stärken. Dazu zählen eine sachliche, schwungvolle Sprache sowie ein Angebot an gelungenen Bildern und Zeichnungen. Mahlstedt gelingt es oft, bislang isolierte Funde in neue Zusammenhänge zu bringen und überraschende Parallelen verschiedener Kulturen aufzuzeigen. Die Dichte der angeführten Belege ermöglicht dem Leser dabei, die vorgeschlagenen Hypothesen kritisch zu prüfen. Meist schließen Mahlstedts Entwürfe überzeugend an die Kenntnisse über spätere Religionen mit schriftlichen Zeugnissen an.
Die Darstellung überzeugt auch dort, wo schwierige Themen wie Menschenopfer oder der Missbrauch germanischer Mythologie durch das NS-Regime angesprochen werden. Interessierte können hier spannende und vielfach neue Varianten zu Geschichte und Glaubenswelten der ersten Ackerbauern und ihrer Heiligtümer genießen. Fachleute dürfen sich auf eine Menge anregender Hypothesen freuen, die neue archäologische Erkenntnisse und kulturwissenschaftliche Klassiker originell verknüpfen.
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