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Die Präimplantationsdiagnostik — von Rechts wegen

Der ethisch-rechtliche Diskurs um die Biopolitik ist lange Zeit primär in den Feuilletons der großen Tages- und Wochenzeitungen geführt worden. Mit Elisabeth Giwers juristischer Dissertation zur Präimplantationsdiagnostik (PID) liegt nunmehr eine der ersten wissenschaftlichen Monografien vor, die sich der durch die neuen Möglichkeiten der Gentechnologie und der Reproduktionsmedizin aufgeworfenen Rechtsfragen annimmt. Die flüssig geschriebene, freilich recht knapp geratene Arbeit gliedert sich in fünf Teile: In einem ersten Abschnitt schildert Giwer zunächst die biomedizinischen Grundlagen, Methoden und Anwendungsgebiete der PID. Sodann widmet sie sich den einschlägigen Straftatbeständen des — im Zuge der bioethischen Debatte stark unter Beschuss geratenen — Embryonenschutzgesetzes (ESchG) von 1990 sowie den gesetzgeberischen Motiven und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen. Im anschließenden dritten Teil, dem Hauptteil der Arbeit, fragt die Verfasserin nach Inhalt und Reichweite des grundrechtlichen Schutzes des Embryos. Dabei gelangt sie zu dem Schluss, dass die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie das Benachteiligungsverbot für Behinderte dem Embryo — einschließlich des extrakorporalen — der Verfassung wegen schon ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle verbürgt seien. Den damit korrespondierenden staatlichen Schutzpflichten, die Giwer zufolge grundsätzlich eine Untersagung der PID verlangen, sei der Gesetzgeber nicht in vollem Umfang gerecht geworden, da das ESchG lediglich die PID an totipotenten Zellen, nicht aber an differenzierten Zellen des Embryos verbiete. Die Garantie der Menschenwürde sieht Giwer durch die PID dagegen grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Abgerundet wird die Untersuchung durch einen Blick auf die einschlägigen Vorschriften des Übereinkommens des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin vom 4.April 1997 (sog. Biomedizin-Konvention) sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Arbeit Giwers leistet insgesamt zweifellos einen verdienstvollen Beitrag zur Debatte um die Biopolitik. Zu bedauern ist lediglich, dass der philosophische Diskurs um den Status des Embryos, dem sich der Jurist bei der Auslegung von Verfassungsbegriffen wie „Leben“ und „Menschenwürde“ nicht verschließen darf, von der Autorin nur begrenzt reflektiert wird. Der Gesetzgeber wird sich wohl schon bald mit der Novellierung des ESchG befassen. Dabei wird die Problematik der PID — neben der der verbrauchenden Embryonenforschung — im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Mehrheit der Abgeordneten den Schlussfolgerungen Giwers anschließen wird.

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