Gefährdeter Zauber der Südsee
Als James Cook am 13. Juli 1772 die Segel zu seiner zweiten großen Entdeckungsreise setzen ließ, befanden sich auch zwei Deutsche an Bord. Das britische Marineministerium hatte den reformierten Pastor und Universalgelehrten Johann Reinhold Forster zum Leiter des wissenschaftlichen Begleitkommandos berufen und seinen erst 17 Jahre alten Sohn Georg als Gehilfen und Zeichner angeheuert.
Diese Reise um die Welt wurde die längste der Menschheitsgeschichte. Als die "Resolution" nach gut drei Jahren am 30. Juli 1775 wieder in England vor Reede ging, hatte sie mehr als 300 000 Kilometer zurückgelegt, eine Weglänge, die erst die moderne Raumfahrt wieder übertroffen hat.
Die Chronik dieses in jeder Hinsicht bemerkenswerten Abenteuers sollte eigentlich Reinhold Forster schreiben. Doch da der zuweilen arrogant-prahlerisch bis jähzornigherrisch auftretende Forster senior sich alsbald mit der britischen Admiralität überwarf, griff an seiner Stelle der vertraglich nicht eingebundene Junior zur Feder. Das juristische Ausweichmanöver wurde zum literarischen Geniestreich und machte Georg Forster (1754 – 1794) mit einem Schlag berühmt.
Der 22-jährige Debütant, so Frank Vorpahl in seinem erhellenden Nachwort, verstand es nicht nur meisterhaft, von Südsee- Abenteuern, fremden Wesen und unbekannten Welten zu erzählen, sondern zugleich auch noch "das Arsenal aufklärerischer Ideen seiner Zeit auszuloten". Das "gelehrte Wunderkind" avancierte zum Begründer der modernen wissenschaftlichen Reisebeschreibung, was ihm die persönliche Bekanntschaft und Zuneigung so bedeutender Zeitgenossen wie Georges-Louis Leclerc de Buffon und Benjamin Franklin, aber auch Goethe, Lichtenberg sowie Wilhelm und Alexander von Humboldt einbrachte.
Darüber hinaus hatte Georg Forster mit ebenso großem Talent wie Fleiß während der Reise weit über 500 Zeichnungen angefertigt, weit mehr, als sowohl auf der ersten als auch der dritten Cook’schen Expedition entstanden. Sie sind jedoch weder in der englischen Erstausgabe der "Reise um die Welt" von 1777 noch in der deutschen Ausgabe von 1778 bis 1780 enthalten. Forster musste sie wegen chronischer Geldsorgen sogleich verkaufen, und zwar ausgerechnet an den Sammler und Privatgelehrten Sir Joseph Banks, der schon Cooks erste Expedition als wissenschaftlicher Leiter begleitet hatte. Banks war sogar bereit gewesen, die zweite zu finanzieren; wegen seiner überzogenen Ansprüche hatten Cook unddie Admiralität das abgelehnt und kurzfristig die Forsters als Ersatz angeheuert. Erst in dem vorliegenden Band sind, nach 230 Jahren, Forsters Werke in Text und Bild wieder vereint.
Der Text allein genügte, um Forsters Weltruhm zu begründen; und seine bildnerische Leistung hätte eine vergleichbare Anerkennung gerechtfertigt. Von den 301 botanischen und 271 zoologischen Zeichnungen sind 80 in diese Erstausgabe übernommen worden. Die repräsentative Auswahl will vor allem neu entdeckte Spezies sowie die allgemeine Artenvielfalt dokumentieren. Den heutigen Betrachter berühren insbesondere Forsters Zeugnisse einiger inzwischen ausgestorbener Arten, darunter der neuseeländische Waldschlüpfer und der Tahiti-Laufsittich.
Von den rund 1100 Reisetagen konnten die Expeditionsteilnehmer nur 290 an Land verbringen – Zeit genug, um die umfassend gebildeten sowie ungemein tatkräftigen Forsters zu den weltweit bedeutendsten biologischen Entdeckern aufsteigen zu lassen. Zu den insgesamt etwa 200 zoologischen Neuentdeckungen – allesamt von Forster junior zeichnerisch dokumentiert – zählen allein 38 neue Vogelarten aus Neuseeland, 48 von den pazifischen Inseln und weitere 28, die auf dem offenen Meer und auf den südamerikanischen Felsen sowie in der Antarktisregion entdeckt wurden (den antarktischen Kontinent selbst hat die Expedition knapp verfehlt). Aber auch in der Botanik feierte die Feldforschung große Erfolge. So erfassten die Forsters am 29. September 1774 auf Botany Island, einer kleinen Insel vor der Südküste Neukaledoniens, an einem einzigen Tag 30 bislang unbekannte Pflanzenarten.
Bei aller jugendlichen Begeisterung geht Georg Forster immer wieder auf kritische Distanz zum eigenen Erleben. Jede Beobachtung, jede Begebenheit unterwirft er einer ausgiebigen Reflexion. Sein subjektives Empfinden lässt er gelten, sofern er sich sicher ist, dass es der Wahrheitsfindung nicht hinderlich ist, sondern ihr sogar dient. Humanistisches Denken und naturwissenschaftliche Erkenntnis sind für ihn zwei Seiten einer Medaille: "Jede Wiederlegung eines Vorurteils ist Gewinn für die Wissenschaft; und jeder Beweis, daß eine herrschende Meynung des gemeinen Mannes irrig sey,ist ein Schritt zur Wahrheit, die allein verdient zum Besten der Menschen aufgezeichnet und aufbehalten zu werden."
Auch ihm erscheint die Südsee wie ein Paradies auf Erden: eine atemberaubend schöne Landschaft, deren Bewohner offenbar noch weit gehend im unschuldigen Naturzustand leben; eine ebenso gastfreundliche wie sinnenfreudige Gesellschaft, die weder größere materielle noch geistige Nöte zu kennen scheint. Aber Forster entwickelt ein Gespür für die beklemmenden Realitäten hinter dem schönen Schein – und erhebliche Zweifel daran, dass Entdeckungsreisen wie die seine wirklich "zum Besten der Menschen" seien. "So aber besorge ich leyder, daß unsre Bekantschaft den Einwohnern der Süd-See durchaus nachteilig gewesen ist; und ich bin der Meinung, daß gerade diejenigen Völkerschaften am besten weggekommen sind, die sich immer von uns entfernt gehalten und aus Besorgnißund Mistrauen unserem Seevolk nie erlaubt haben, zu bekannt und zu vertraut mit ihnen zu werden."
Forster ahnt voraus, dass es jene schöne neue Welt schon bald nicht mehr geben wird, und hadert mit seinem Anteil an dieser fatalen Entwicklung: "Warlich! wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft werden muß; so wär’ es, für die Entdecker und Entdeckten besser, daß die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre!"
An diesem wundervollen Buch besticht keineswegs nur die »Illustration von eigener Hand«, sondern auch die Schönheit und Tiefe von Forsters Empfindungen und Gedanken. Die Herausgeber haben sie weit gehend im Original belassen, sodass die sprachlichen Eigenarten nebst der seinerzeit üblichen Rechtschreibung den Leser auch atmosphärisch in jene Zeit der großen Entdecker entführen.
Georg Forster ist – wie Klaus Harpprecht in seinem einfühlsamen biografischen Vorwort zu Recht betont – der "verkannte, verschwiegene Klassiker", den es nunmehr erneut zu entdecken gilt.
Diese Reise um die Welt wurde die längste der Menschheitsgeschichte. Als die "Resolution" nach gut drei Jahren am 30. Juli 1775 wieder in England vor Reede ging, hatte sie mehr als 300 000 Kilometer zurückgelegt, eine Weglänge, die erst die moderne Raumfahrt wieder übertroffen hat.
Die Chronik dieses in jeder Hinsicht bemerkenswerten Abenteuers sollte eigentlich Reinhold Forster schreiben. Doch da der zuweilen arrogant-prahlerisch bis jähzornigherrisch auftretende Forster senior sich alsbald mit der britischen Admiralität überwarf, griff an seiner Stelle der vertraglich nicht eingebundene Junior zur Feder. Das juristische Ausweichmanöver wurde zum literarischen Geniestreich und machte Georg Forster (1754 – 1794) mit einem Schlag berühmt.
Der 22-jährige Debütant, so Frank Vorpahl in seinem erhellenden Nachwort, verstand es nicht nur meisterhaft, von Südsee- Abenteuern, fremden Wesen und unbekannten Welten zu erzählen, sondern zugleich auch noch "das Arsenal aufklärerischer Ideen seiner Zeit auszuloten". Das "gelehrte Wunderkind" avancierte zum Begründer der modernen wissenschaftlichen Reisebeschreibung, was ihm die persönliche Bekanntschaft und Zuneigung so bedeutender Zeitgenossen wie Georges-Louis Leclerc de Buffon und Benjamin Franklin, aber auch Goethe, Lichtenberg sowie Wilhelm und Alexander von Humboldt einbrachte.
Darüber hinaus hatte Georg Forster mit ebenso großem Talent wie Fleiß während der Reise weit über 500 Zeichnungen angefertigt, weit mehr, als sowohl auf der ersten als auch der dritten Cook’schen Expedition entstanden. Sie sind jedoch weder in der englischen Erstausgabe der "Reise um die Welt" von 1777 noch in der deutschen Ausgabe von 1778 bis 1780 enthalten. Forster musste sie wegen chronischer Geldsorgen sogleich verkaufen, und zwar ausgerechnet an den Sammler und Privatgelehrten Sir Joseph Banks, der schon Cooks erste Expedition als wissenschaftlicher Leiter begleitet hatte. Banks war sogar bereit gewesen, die zweite zu finanzieren; wegen seiner überzogenen Ansprüche hatten Cook unddie Admiralität das abgelehnt und kurzfristig die Forsters als Ersatz angeheuert. Erst in dem vorliegenden Band sind, nach 230 Jahren, Forsters Werke in Text und Bild wieder vereint.
Der Text allein genügte, um Forsters Weltruhm zu begründen; und seine bildnerische Leistung hätte eine vergleichbare Anerkennung gerechtfertigt. Von den 301 botanischen und 271 zoologischen Zeichnungen sind 80 in diese Erstausgabe übernommen worden. Die repräsentative Auswahl will vor allem neu entdeckte Spezies sowie die allgemeine Artenvielfalt dokumentieren. Den heutigen Betrachter berühren insbesondere Forsters Zeugnisse einiger inzwischen ausgestorbener Arten, darunter der neuseeländische Waldschlüpfer und der Tahiti-Laufsittich.
Von den rund 1100 Reisetagen konnten die Expeditionsteilnehmer nur 290 an Land verbringen – Zeit genug, um die umfassend gebildeten sowie ungemein tatkräftigen Forsters zu den weltweit bedeutendsten biologischen Entdeckern aufsteigen zu lassen. Zu den insgesamt etwa 200 zoologischen Neuentdeckungen – allesamt von Forster junior zeichnerisch dokumentiert – zählen allein 38 neue Vogelarten aus Neuseeland, 48 von den pazifischen Inseln und weitere 28, die auf dem offenen Meer und auf den südamerikanischen Felsen sowie in der Antarktisregion entdeckt wurden (den antarktischen Kontinent selbst hat die Expedition knapp verfehlt). Aber auch in der Botanik feierte die Feldforschung große Erfolge. So erfassten die Forsters am 29. September 1774 auf Botany Island, einer kleinen Insel vor der Südküste Neukaledoniens, an einem einzigen Tag 30 bislang unbekannte Pflanzenarten.
Bei aller jugendlichen Begeisterung geht Georg Forster immer wieder auf kritische Distanz zum eigenen Erleben. Jede Beobachtung, jede Begebenheit unterwirft er einer ausgiebigen Reflexion. Sein subjektives Empfinden lässt er gelten, sofern er sich sicher ist, dass es der Wahrheitsfindung nicht hinderlich ist, sondern ihr sogar dient. Humanistisches Denken und naturwissenschaftliche Erkenntnis sind für ihn zwei Seiten einer Medaille: "Jede Wiederlegung eines Vorurteils ist Gewinn für die Wissenschaft; und jeder Beweis, daß eine herrschende Meynung des gemeinen Mannes irrig sey,ist ein Schritt zur Wahrheit, die allein verdient zum Besten der Menschen aufgezeichnet und aufbehalten zu werden."
Auch ihm erscheint die Südsee wie ein Paradies auf Erden: eine atemberaubend schöne Landschaft, deren Bewohner offenbar noch weit gehend im unschuldigen Naturzustand leben; eine ebenso gastfreundliche wie sinnenfreudige Gesellschaft, die weder größere materielle noch geistige Nöte zu kennen scheint. Aber Forster entwickelt ein Gespür für die beklemmenden Realitäten hinter dem schönen Schein – und erhebliche Zweifel daran, dass Entdeckungsreisen wie die seine wirklich "zum Besten der Menschen" seien. "So aber besorge ich leyder, daß unsre Bekantschaft den Einwohnern der Süd-See durchaus nachteilig gewesen ist; und ich bin der Meinung, daß gerade diejenigen Völkerschaften am besten weggekommen sind, die sich immer von uns entfernt gehalten und aus Besorgnißund Mistrauen unserem Seevolk nie erlaubt haben, zu bekannt und zu vertraut mit ihnen zu werden."
Forster ahnt voraus, dass es jene schöne neue Welt schon bald nicht mehr geben wird, und hadert mit seinem Anteil an dieser fatalen Entwicklung: "Warlich! wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft werden muß; so wär’ es, für die Entdecker und Entdeckten besser, daß die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre!"
An diesem wundervollen Buch besticht keineswegs nur die »Illustration von eigener Hand«, sondern auch die Schönheit und Tiefe von Forsters Empfindungen und Gedanken. Die Herausgeber haben sie weit gehend im Original belassen, sodass die sprachlichen Eigenarten nebst der seinerzeit üblichen Rechtschreibung den Leser auch atmosphärisch in jene Zeit der großen Entdecker entführen.
Georg Forster ist – wie Klaus Harpprecht in seinem einfühlsamen biografischen Vorwort zu Recht betont – der "verkannte, verschwiegene Klassiker", den es nunmehr erneut zu entdecken gilt.
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