Aus die Maus
Claudius Seidl, Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, hat ein Buch geschrieben über die Probleme der Deutschen mit dem Älterwerden. Vor allem die Babyboomer, also die große Generation derer, die in den 1960er Jahren in Wohlstand hineingeboren wurden, täten sich heute so verdammt schwer mit der tiefen Kluft zwischen ihrem biologischen und ihrem gefühlten Alter: Statt wie es sich gehört in Familie und Beruf Verantwortung zu übernehmen, würden diese Mittvierziger allerorten "gymniasiastenhafte Liebesgeschichten und pubertäre Zweifel am Sinn einer bürgerlichen Existenz" ausleben. Was man gemeinhin Jugend nennt, habe sich innerhalb einer Generation um weit mehr als zehn Jahre ausgedehnt.
Diese Infantilisierung der Gesellschaft dreht und wendet Seidl in "Schöne junge Welt" argumentativ in alle Richtungen und ergeht sich schließlich sogar in langatmigen Analysen aktueller und historischer Geschehnisse aus der Kulturgeschichte oder Politik: So dient ihm die dominierende Rolle von Altbundeskanzler Helmut Kohl ebenso zum Beleg seiner Thesen wie die 45-jährige Amerikanerin Rene Russo – jene Hollywoodschauspielerin, der man trotz ihrer jugendlichen Schönheit zu Cary Grants Zeiten wohl nur die Rolle der alten Schwiegermutter angeboten hätte.
Personen aus dem persönlichen Umfeld des Autors sind noch die interessantesten Beispiele für Seidls immer wiederkehrendes Mantra, dass heutige Biografien anderen Bauplänen folgen als noch in der Elterngeneration: Da gibt es zum Beispiel den erfolgreichen und drogenerfahrenen DJ, der partout keine feste Bindung eingehen will. Oder das Beispiel der Designerin, die nach vielen wilden Jahren anderen immer noch als "role model" in puncto Aussehen dient. Dazu spekuliert Seidel gerne über die Kollegen Journalisten, die mittlerweile zu vernünftig seien, um sich auf Partys zu betrinken, und zu verheiratet, um wenigstens die jungen Frauen abzuschleppen.
Doch worin genau der beklagenswerte Mangel an Verantwortungsbereitschaft besteht und gründet, erschließt sich dem an tiefer gehenden Analysen interessierten Leser nicht. Claudius Seidls eigener Betroffenenbericht wirkt umso unglaubwürdiger, als er selbst mit 25 bereits sein Studium erfolgreich abschloss und heute mit Anfang 40 glücklich verheirateter Feuilletonchef einer großen deutschen Wochenzeitung ist. Wo, fragt man sich, liegt sein Problem?
Mag sein, dass viele Zeitgenossen gerne der Vorstellung anhängen, auch mit 40 noch im Meer der Möglichkeiten zu schwimmen. Der ewige Teenager – eine Pose, die Seidl "neu, ungeheuerlich, wundersam, ja sogar revolutionär" findet – wird von ihm jedoch allzu leichtfertig auf eine ganze Gesellschaft übertragen.
Es handele sich zudem nicht nur um ein kulturelles Phänomen, vielmehr prädestinierten uns die heutigen Lebensverhältnisse auch biologisch zur "Neotenie", also zu einer verzögerten körperlichen und geistigen Entwicklung. Auch hier bleibt das Wie und Warum leider offen. Fazit: So leicht und locker sich Seidls Buch liest, so dürftig ist am Ende der Erkenntnisgewinn.
Diese Infantilisierung der Gesellschaft dreht und wendet Seidl in "Schöne junge Welt" argumentativ in alle Richtungen und ergeht sich schließlich sogar in langatmigen Analysen aktueller und historischer Geschehnisse aus der Kulturgeschichte oder Politik: So dient ihm die dominierende Rolle von Altbundeskanzler Helmut Kohl ebenso zum Beleg seiner Thesen wie die 45-jährige Amerikanerin Rene Russo – jene Hollywoodschauspielerin, der man trotz ihrer jugendlichen Schönheit zu Cary Grants Zeiten wohl nur die Rolle der alten Schwiegermutter angeboten hätte.
Personen aus dem persönlichen Umfeld des Autors sind noch die interessantesten Beispiele für Seidls immer wiederkehrendes Mantra, dass heutige Biografien anderen Bauplänen folgen als noch in der Elterngeneration: Da gibt es zum Beispiel den erfolgreichen und drogenerfahrenen DJ, der partout keine feste Bindung eingehen will. Oder das Beispiel der Designerin, die nach vielen wilden Jahren anderen immer noch als "role model" in puncto Aussehen dient. Dazu spekuliert Seidel gerne über die Kollegen Journalisten, die mittlerweile zu vernünftig seien, um sich auf Partys zu betrinken, und zu verheiratet, um wenigstens die jungen Frauen abzuschleppen.
Doch worin genau der beklagenswerte Mangel an Verantwortungsbereitschaft besteht und gründet, erschließt sich dem an tiefer gehenden Analysen interessierten Leser nicht. Claudius Seidls eigener Betroffenenbericht wirkt umso unglaubwürdiger, als er selbst mit 25 bereits sein Studium erfolgreich abschloss und heute mit Anfang 40 glücklich verheirateter Feuilletonchef einer großen deutschen Wochenzeitung ist. Wo, fragt man sich, liegt sein Problem?
Mag sein, dass viele Zeitgenossen gerne der Vorstellung anhängen, auch mit 40 noch im Meer der Möglichkeiten zu schwimmen. Der ewige Teenager – eine Pose, die Seidl "neu, ungeheuerlich, wundersam, ja sogar revolutionär" findet – wird von ihm jedoch allzu leichtfertig auf eine ganze Gesellschaft übertragen.
Es handele sich zudem nicht nur um ein kulturelles Phänomen, vielmehr prädestinierten uns die heutigen Lebensverhältnisse auch biologisch zur "Neotenie", also zu einer verzögerten körperlichen und geistigen Entwicklung. Auch hier bleibt das Wie und Warum leider offen. Fazit: So leicht und locker sich Seidls Buch liest, so dürftig ist am Ende der Erkenntnisgewinn.
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