Kann denn Lachen Sünde sein?
Diese aus heutiger Sicht eher alberne Frage beantworten die Autoren des Ausstellungskatalogs eindeutig: Über weite Strecken des Mittelalters war die Einstellung der Kirche zum Lachen negativ. Die frühen Mönchsorden betrachteten Jesus, der laut Bibel nie gelacht hat, als Vorbild und Lachen als Laster, das der Demut im Weg stehe. Ob kichern, glucksen oder prusten – Gelächter war ein kurzer Weg zur Sünde.
Erst im 12. und 13. Jahrhundert bewerteten europäische Gelehrte wie Thomas von Aquin das Lachen positiver; eine Folge ihrer Beschäftigung mit den Schriften des Aristoteles und anderer antiker Autoren. Einfluss hatte auch das Wissen aus dem Orient, das infolge der Kreuzzüge nach Europa gelangte. Gemäßigtes Lachen könne den Geist entspannen und Melancholie vertreiben.
Im 14. Jahrhundert führte hingegen ein Mentalitätswandel, hervorgerufen durch Pest und Kriege, erneut zur Ablehnung des Lachens. Ungezügeltes Gelächter wurde zum Symbol des Bösen.
Der Begleitband ist selbst ohne den Besuch der im Übrigen wunderbaren Ausstellung im Mainzer Dom- und Diözesanmuseum unbedingt lesenswert. Auch wenn die einzelnen Artikel eine anspruchsvolle Wissenschaftssprache pflegen, lohnt die Lektüre der tiefgründigen und informativen Texte. Nicht nur weil die Kunsthistoriker und Mediävisten so manche bislang unbeachtete Seite des Mittelalters enthüllen – etwa wenn sie die fröhlich lächelnden Gesichter an den Konsolen der Kathedrale von Reims als böse Fratzen zu erkennen geben. Der Band enthält zahlreiche Abbildungen von mittelalterlichen Statuen und Buchillustrationen. Dabei besonders schön: die Nahaufnahmen von Bauskulpturen, die vor Ort schlecht zu sehen sind, da sie in mehreren Metern Höhe an Kirchenfassaden prangen.
Ausstellung und Buch schließen eine Lücke in der Erforschung des Lachens in der mittelalterlichen Kunst, dürfen aber auch als Anregung verstanden werden, über unsere heutige Weltsicht und Lachkultur nachzudenken – bis hin zu der Frage: Wie und worüber lache ich selbst?
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