Das Du im Ich
Mit "EQ – Emotionale Intelligenz" landete der amerikanische Psychologe Daniel Goleman Mitte der 1990er Jahre einen Weltbestseller. Jetzt liefert er den Nachfolger "Soziale Intelligenz", einen üppigen Band von 560 Seiten. Drehte sich in "EQ" noch alles um die Selbstwahrnehmung und -regulierung des Individuums, geht es nun um die Psychobiologie des Mitgefühls und deren Auswirkungen auf unser soziales Leben.
Zwar sei der Mensch schon genetisch zur Empathie veranlagt, er nutze dieses Potenzial jedoch zu wenig. Grund: Der fortschreitende "soziale Autismus", dessen Ursachen Goleman etwa in der Verbreitung des Internets und im anonymen Großstadtleben ausmacht. Der soziale Austausch stellt für den Autor die Paradedisziplin des Gehirns dar. Denn die Fähigkeit, andere zu verstehen und mit ihnen zu interagieren, sei evolutionär gesehen die zentrale Überlebensstrategie des Homo sapiens. Unser neuronales Empathiezentrum verortet Goleman im orbitofrontalen Cortex, der drei wichtige Funktionen miteinander verknüpfe: Denken, Fühlen und körperliche Reaktionen. Auf diesem Weg werden intuitive, vorbewusste Impulse in vorausschauendes Handeln überführt.
Säuglinge nutzen diese Fähigkeit bei ihrer "Proto-Konversation" mit den Eltern, durch die sie die Grundbegriffe des zwischenmenschlichen Umgangs erlernen. Bei Erwachsenen zeigt sie sich in der Macht des Frontalhirns, ihre Handlungsimpulse zu kontrollieren. Soziale Interaktionen wirken demnach auf unsere Gehirnfunktionen – etwa indem Botenstoffe wie Serotonin ein Wohlgefühl vermitteln.
Anhand klinischer Fälle von Autisten oder Soziopathen verdeutlicht Goleman demgegenüber, was schief laufen kann, wenn die zwischenmenschliche Kontrolle nicht richtig arbeitet. Menschen, die Probleme mit ihrer Empathiefähigkeit haben, gilt dabei sein besonderes Interesse: Goleman zeigt nicht nur die Folgen gestörter Interaktionen auf, sondern skizziert auch positive Gegenmodelle.
Im typisch amerikanischen Sachbuchstil verbindet der Autor persönliche Anekdoten, Zeitdokumente und Zitate mit einer Fülle an wissenschaftlichen Studien. Manchmal klingen die Schlüsse und Analogien allerdings arg vereinfachend - etwa, wenn Goleman die Rolle der Spiegelneurone in einem alten Schlager zusammenfasst: "Wenn du lachst, dann lacht die ganze Welt." Zudem verweist er nimmermüde auf die Bedeutung vorbewusster neuronaler Schaltkreise für die menschliche Rationalität und den Erfolg sozialer Interaktion. Zuweilen wäre hier weniger mehr gewesen, manche Redundanz hätte man den Lesern nicht zumuten müssen.
Doch überwiegt Golemans Verdienst, die Bedeutung sozialer Prozesse für die individuelle Lebensqualität, Gesellschaft und Wirtschaft nachvollziehbar zu machen. Allein der Schlussappell an die Neurowissenschaften, diese Seite des Menschen weniger stiefmütterlich zu behandeln, wirkt kurios - Hirnforscher haben diesen blinden Fleck selbst längst erkannt und eine neue Disziplin ausgerufen: die Social Cognitive Neuroscience. "Soziale Intelligenz" liefert eine gut lesbare und verständliche Einführung in dieses Gebiet.
Zwar sei der Mensch schon genetisch zur Empathie veranlagt, er nutze dieses Potenzial jedoch zu wenig. Grund: Der fortschreitende "soziale Autismus", dessen Ursachen Goleman etwa in der Verbreitung des Internets und im anonymen Großstadtleben ausmacht. Der soziale Austausch stellt für den Autor die Paradedisziplin des Gehirns dar. Denn die Fähigkeit, andere zu verstehen und mit ihnen zu interagieren, sei evolutionär gesehen die zentrale Überlebensstrategie des Homo sapiens. Unser neuronales Empathiezentrum verortet Goleman im orbitofrontalen Cortex, der drei wichtige Funktionen miteinander verknüpfe: Denken, Fühlen und körperliche Reaktionen. Auf diesem Weg werden intuitive, vorbewusste Impulse in vorausschauendes Handeln überführt.
Säuglinge nutzen diese Fähigkeit bei ihrer "Proto-Konversation" mit den Eltern, durch die sie die Grundbegriffe des zwischenmenschlichen Umgangs erlernen. Bei Erwachsenen zeigt sie sich in der Macht des Frontalhirns, ihre Handlungsimpulse zu kontrollieren. Soziale Interaktionen wirken demnach auf unsere Gehirnfunktionen – etwa indem Botenstoffe wie Serotonin ein Wohlgefühl vermitteln.
Anhand klinischer Fälle von Autisten oder Soziopathen verdeutlicht Goleman demgegenüber, was schief laufen kann, wenn die zwischenmenschliche Kontrolle nicht richtig arbeitet. Menschen, die Probleme mit ihrer Empathiefähigkeit haben, gilt dabei sein besonderes Interesse: Goleman zeigt nicht nur die Folgen gestörter Interaktionen auf, sondern skizziert auch positive Gegenmodelle.
Im typisch amerikanischen Sachbuchstil verbindet der Autor persönliche Anekdoten, Zeitdokumente und Zitate mit einer Fülle an wissenschaftlichen Studien. Manchmal klingen die Schlüsse und Analogien allerdings arg vereinfachend - etwa, wenn Goleman die Rolle der Spiegelneurone in einem alten Schlager zusammenfasst: "Wenn du lachst, dann lacht die ganze Welt." Zudem verweist er nimmermüde auf die Bedeutung vorbewusster neuronaler Schaltkreise für die menschliche Rationalität und den Erfolg sozialer Interaktion. Zuweilen wäre hier weniger mehr gewesen, manche Redundanz hätte man den Lesern nicht zumuten müssen.
Doch überwiegt Golemans Verdienst, die Bedeutung sozialer Prozesse für die individuelle Lebensqualität, Gesellschaft und Wirtschaft nachvollziehbar zu machen. Allein der Schlussappell an die Neurowissenschaften, diese Seite des Menschen weniger stiefmütterlich zu behandeln, wirkt kurios - Hirnforscher haben diesen blinden Fleck selbst längst erkannt und eine neue Disziplin ausgerufen: die Social Cognitive Neuroscience. "Soziale Intelligenz" liefert eine gut lesbare und verständliche Einführung in dieses Gebiet.
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