Sprich schön!
"Kannst du nicht was gegen diese Sprachverhunzung tun?", fragt hin und wieder jemand auf einer Party und hebt an, mich mit der immergleichen Litanei vom schrecklichen "Denglisch" und der Verwahrlosung des Deutschen zu übergießen. Nein, sage ich dann schnell und suche heimlich nach Fluchtwegen vor diesem Bildungsgutmenschen. Denn als Linguistin halte ich Sprache für lebendig und genauso Veränderungen ausgesetzt wie die Menschen, die sie sprechen – da gibt es nichts Gutes und Schlechtes und ein Dialekt etwa ist für mich keine schlechtere Sprache als Hochdeutsch.
Linguisten schreiben Sprache schließlich nicht vor, sie beschreiben sie. Wenn jemand "Geh doch, wo du wohnst" sagen möchte – bitte schön! Und doch: Als Journalistin schreibe ich natürlich nicht so, denn heimlich, still und leise weiß ich, zwischen verschiedenen kulturellen Codes zu wechseln. Denglisches wie "das macht Sinn!" oder auch "ich nehme eine Dusche" (von "it makes sense" und "I take a shower") vermeide ich. Weil es mir einfach nicht gefällt, Punktum.
Aber was ist der Maßstab für diese eindeutig wertende Entscheidung? Genau bei dieser Frage setzt der Journalist Dieter E. Zimmer an, und das sehr geschickt. Obwohl er ein dickes Traktat mit obskurem Titel verfasst hat, ist der ganze Text ein Plädoyer aus einem Guss. Wie ein guter Anwalt wiegt Zimmer die Gegenseite zunächst in Sicherheit und schlägt sich auf die Seite der Sprachwissenschaftler. Er entlarvt die Kulturpessimisten, die "Verfall-der-Sprache"-Unker, die Hüter des heiligen deutschen Grals, die hinter jedem "downloaden" den Untergang des Abendlandes vermuten, aber ganz selbstverständlich "Militär" und "Likör" sagen (als seien das deutsche Worte!). Ich lehne mich ob dieser schön durchkonjugierten Demontage aller Scheinargumente zurück und nippe am Wein.
Doch dann erwischt es mich selbst. Viele Sprachwissenschaftler, so Zimmer, sind auch nicht besser. Sie tun nur so, als nähmen sie den streng naturwissenschaftlichen, wertneutralen Standpunkt ein, der besagt: Jedes sprachliche Ereignis ist gleichwertig. Aber in Wahrheit lassen Experten Menschen wie den besorgten Partygast gegen ein recht fragwürdiges Schutzschild anrennen. Es ist der bürgerliche Bildungsdünkel, denn natürlich ist den Menschen aus gutem Hause klar: Wir wissen, wie man schön spricht (und der arme Junge, der sich mit "Geh doch, wo du wohnst" äußert, der hat eben Pech).
Ach herrje, Zimmer hat Recht. Ich stelle den Wein wieder ab. Journalisten, Lehrer, Eltern – sie müssen alle wissen, welche Art von Sprache sie benutzen. Wenn Linguisten jedoch hochnäsig keine Antwort geben, sogar die Fragen nach gutem Deutsch für verfehlt halten, dann ist das ungeschickt, denn man überlässt den nörgelnden Kulturpessimisten das Feld. Aber es ist auch nicht einfach zu begründen, weshalb etwa Sprachvielfalt erhaltenswert ist. Weil doch mit Sprache auch das verknüpfte Denken stirbt, mutmaßt der Laie. Doch wissen wir Linguisten das genau? Auch Zimmer braucht das halbe Buch, um diese Frage abzuhandeln, die die Sprachwissenschaft und -philosophie seit Beginn ihrer Existenz quält. Der Autor tut dies mit guten Argumenten und für jedermann leicht lesbar, wird aber sicher einige Leser verlieren, die nicht jeder Ausführung seines Plädoyers folgen wollen. Sein Buch ist nämlich "eine kurze Geschichte" von fast allem, was Sprache betrifft.
Zimmers Nachricht indes bleibt klar: Wir können und wir müssen in Sachen "gute Sprache" Werturteile fällen. Dafür sollten wir uns aber gut informieren und gründlich nachdenken – und nicht einfach nur kulturpessimistisches Zeug nachplappern. Und überhaupt sollten wir uns keinesfalls auf die "anything goes"-Haltung einer bestimmten linguistischen Strömung zurückziehen. Nun, Herr Zimmer, ich nehme es mir für die nächste Stehparty zu Herzen.
Linguisten schreiben Sprache schließlich nicht vor, sie beschreiben sie. Wenn jemand "Geh doch, wo du wohnst" sagen möchte – bitte schön! Und doch: Als Journalistin schreibe ich natürlich nicht so, denn heimlich, still und leise weiß ich, zwischen verschiedenen kulturellen Codes zu wechseln. Denglisches wie "das macht Sinn!" oder auch "ich nehme eine Dusche" (von "it makes sense" und "I take a shower") vermeide ich. Weil es mir einfach nicht gefällt, Punktum.
Aber was ist der Maßstab für diese eindeutig wertende Entscheidung? Genau bei dieser Frage setzt der Journalist Dieter E. Zimmer an, und das sehr geschickt. Obwohl er ein dickes Traktat mit obskurem Titel verfasst hat, ist der ganze Text ein Plädoyer aus einem Guss. Wie ein guter Anwalt wiegt Zimmer die Gegenseite zunächst in Sicherheit und schlägt sich auf die Seite der Sprachwissenschaftler. Er entlarvt die Kulturpessimisten, die "Verfall-der-Sprache"-Unker, die Hüter des heiligen deutschen Grals, die hinter jedem "downloaden" den Untergang des Abendlandes vermuten, aber ganz selbstverständlich "Militär" und "Likör" sagen (als seien das deutsche Worte!). Ich lehne mich ob dieser schön durchkonjugierten Demontage aller Scheinargumente zurück und nippe am Wein.
Doch dann erwischt es mich selbst. Viele Sprachwissenschaftler, so Zimmer, sind auch nicht besser. Sie tun nur so, als nähmen sie den streng naturwissenschaftlichen, wertneutralen Standpunkt ein, der besagt: Jedes sprachliche Ereignis ist gleichwertig. Aber in Wahrheit lassen Experten Menschen wie den besorgten Partygast gegen ein recht fragwürdiges Schutzschild anrennen. Es ist der bürgerliche Bildungsdünkel, denn natürlich ist den Menschen aus gutem Hause klar: Wir wissen, wie man schön spricht (und der arme Junge, der sich mit "Geh doch, wo du wohnst" äußert, der hat eben Pech).
Ach herrje, Zimmer hat Recht. Ich stelle den Wein wieder ab. Journalisten, Lehrer, Eltern – sie müssen alle wissen, welche Art von Sprache sie benutzen. Wenn Linguisten jedoch hochnäsig keine Antwort geben, sogar die Fragen nach gutem Deutsch für verfehlt halten, dann ist das ungeschickt, denn man überlässt den nörgelnden Kulturpessimisten das Feld. Aber es ist auch nicht einfach zu begründen, weshalb etwa Sprachvielfalt erhaltenswert ist. Weil doch mit Sprache auch das verknüpfte Denken stirbt, mutmaßt der Laie. Doch wissen wir Linguisten das genau? Auch Zimmer braucht das halbe Buch, um diese Frage abzuhandeln, die die Sprachwissenschaft und -philosophie seit Beginn ihrer Existenz quält. Der Autor tut dies mit guten Argumenten und für jedermann leicht lesbar, wird aber sicher einige Leser verlieren, die nicht jeder Ausführung seines Plädoyers folgen wollen. Sein Buch ist nämlich "eine kurze Geschichte" von fast allem, was Sprache betrifft.
Zimmers Nachricht indes bleibt klar: Wir können und wir müssen in Sachen "gute Sprache" Werturteile fällen. Dafür sollten wir uns aber gut informieren und gründlich nachdenken – und nicht einfach nur kulturpessimistisches Zeug nachplappern. Und überhaupt sollten wir uns keinesfalls auf die "anything goes"-Haltung einer bestimmten linguistischen Strömung zurückziehen. Nun, Herr Zimmer, ich nehme es mir für die nächste Stehparty zu Herzen.
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