Von Sternen und ihren Guckern
Man kann es fast nicht glauben, aber in deutschen Haushalten soll es circa fünf Millionen Teleskope geben. Eigentlich müssten also in jeder sternklaren Nacht die Wanderparkplätze und andere vom städtischen Licht ungestörte Orte nur so vor Sternguckern überquellen. Dem ist aber nicht so, und man kann wohl davon ausgehen, dass die meisten Teleskope unbenutzt in einem Kellerwinkel einstauben. Die Versprechungen der bunten Bilder auf der Verpackung konnte das Teleskop nicht halten, stattdessen war die ferne Galaxie schwierig zu finden und entpuppte sich als diffuses weißes Wölkchen – und so wanderte in stiller Enttäuschung das Teleskop in eine ferne Ecke des Haushalts. So oder so ähnlich mag es vielen der fünf Millionen Teleskopen ergangen sein.
Das Buch "Stern-Freunde" porträtiert sechzehn Amateurastronomen, die es geschafft haben und ihr Teleskop seit vielen Jahren eifrig benutzen. Eine Frau und fünfzehn Männer stehen exemplarisch für die tausenden Hobbysterngucker, die nachts nach Wolkenlücken Ausschau halten und mitunter erstaunliche Kosten und Mühen auf sich nehmen, um dem Himmel etwas näher zu sein – Uwe Glahn ist beispielsweise so einer. Er verkörpert die sportliche Variante der Sternguckerei. Ausgerüstet ist er mit einem sogenannten Dobson. Dieses Teleskop ist seiner Bauart nach auf das Wesentliche reduziert, zugunsten eines möglichsten großen Spiegels bei gleichzeitiger Transportierbarkeit. Damit sucht er ferne Gebiete Europas und Afrikas auf, um den dunklen unverfälschten Himmel und die schwärzeste Nacht zu erleben. Ziel ist es möglichst leuchtschwache, weit entfernte Himmelsobjekte gerade noch wahrzunehmen und per Zeichnung festzuhalten. Die Leistungsfähigkeit der eigenen Wahrnehmung ist in dieser visuellen Deep-Sky-Beobachtung das Maß aller Dinge.
Das andere Extrem sind Amateurastronomen, die über genügend Kleingeld und technisches Knowhow verfügen, um sich eine eigene Privatsternwarte einzurichten, die den Vergleich mit den kleineren Profi-Sternwarten prinzipiell nicht scheuen muss. Dazu gehört auch der in dem Buch porträtierte Ranga Yogeshwar. Der bekannte Fernsehmoderator mutiert in seiner freien Zeit zum semiprofessionellen Astronomen, der im eigenen Garten Kleinplaneten jagt.
Diese beiden Beispiele verdeutlichen bereits die Vielfalt, die das Thema Astronomie den Sternfreunden bietet. Was aber haben die Porträtierten bei aller Unterschiedlichkeit gemeinsam? Was ist das Erfolgsgeheimnis, das dafür sorgt, dass aus einer anfänglichen Euphorie ein lebenslanges Hobby wird? "Mach es zu Deinem Projekt" lautet der Slogan einer Baumarktkette, von "gesunder Zielstrebigkeit" spricht der Amateurastronom Bernd Gährken. Wer in dem weiten Feld der Astronomie sein Thema und seinen eigenen Stil findet, der bleibt dabei – so lautet das Fazit, das ich nach dem Lesen des Buches gezogen habe. Dazu gehört auch eine gewisse Scheuklappenmentalität, die einem hilft, das eigene Ziel im Blick zu halten. So bekennt der Sonnenbeobachter und in der Szene sehr angesehene Teleskopbauer Wolfgang Lille in sympathischer Freimütigkeit, dass er vielleicht zehn Objekte am Himmel selbst findet.
Es geht übrigens auch ganz ohne Teleskop. Der Physiker Wolfgang Steinicke – zwar auch als Deep-Sky-Beobachter sehr bewandert – ist vor allem für seine Arbeiten im Bereich der Astronomiegeschichte weit über die Amateurszene hinaus bekannt. Mit dem Namen Walter Kutschera wiederum wird uns eine ganz andere Möglichkeit vorgestellt, das Hobby zu leben, nämlich in Form des sozialen Events, der Starpartys und Teleskoptreffen.
Das Buch ist originell und irgendwie auch längst nötig gewesen, denn die sechzehn porträtierten Sternfreunde sind tatsächlich Menschen, die man vielleicht vom Sehen kennt, die einem über den Weg laufen, wenn man sich in der Szene bewegt, sei es auf Messen, Vorträgen oder Teleskoptreffen – und weil Tratsch nun mal Spaß macht, bereitet auch das Buch Freude. Es ist interessant zu sehen, wie vielfältig der Zugang zum Hobby Astronomie ist und welche Wege man darin gehen kann. Das Buch unterstützt diesen Gedanken, insofern jeder Porträtierte unter ein Thema gestellt wird wie zum Beispiel Supernovajagd, Veränderliche oder Meteorbeobachtung. Der Autor führt kurz in das Thema ein und ein Glossar am Ende hilft, die Fachbegriffe einer speziellen Disziplin besser zu verstehen. Einziger Wermutstropfen ist, dass der Autor für meinen Geschmack so manchen Interviewpartner zu sehr huldigt – bei Ranga Yogeshwar grenzt das fast schon an Gottesanbetung. Hier wurde eine Chance vertan, mal zu berichten, was genau er eigentlich in seiner Sternwartenhütte konkret macht. In unserem Hobby stehen die Sterne im Mittelpunkt, nicht die Sternchen!
Dieser Kritik an dem Buch möchte ich eine weitere anschließen: Die Frage, wie man den Staffel an die nächste Generation weitergibt, was genau die Porträtierten dafür tun, dass ihr spezifisches Knowhow nicht mit ihnen ausstirbt, hätte etwas pointierter gestellt werden dürfen, denn darin sehe ich doch ein großes Problem. Ohne die Anstrengungen der ganz handfesten Öffentlichkeits- und Vereinsarbeit werden noch viele Teleskope ihren staubigen Tod im Keller finden.
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