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Das All gestreift

Helmut Hornungs "Streifzüge durch das All" folgen dem üblichen Aufbau von Astronomielehrbüchern: Nach einem einführenden Kapitel erläutert der Autor den Sternenhimmel, wie er sich im jahreszeitlichen Wandel präsentiert. Danach geht er auf die Instrumente und Beobachtungstechniken der Astronomie ein. Die weiteren Kapitel durchstreifen das All gewissermaßen von "Innen nach Außen", also von den Planeten zur Sonne, den Sternen, Galaxien, bis hin zu den großen Fragen nach der Entstehung von Kosmos und Leben.

Jedes dieser neuen Kapitel schließt mit einem kurzen "Astrotipp", praktische Anleitungen und Ratschlägen, in denen der Autor als Amateurastronom erkennbar wird. Der letzte Astrotipp zeigt die Möglichkeiten, die das Internet Astronomie-Enthusiasten bietet. Hierbei stellt der Autor zwar die Programme WorldWide Telescope und Google Sky vor, unterschlägt aber leider die beiden ebenfalls im Internet kostenlos erhältlichen Programme Celestia und Stellarium. Das ist insofern Schade, als beide Programme in deutschsprachiger Version vorliegen und als offene Projekte jugendliche Computerfreaks besonders zum Mitmachen animieren können. Das Buch endet mit ausführlichen Lese- und Linktipps, sowie einem hübschen Astro-Quiz. Völlig unmotiviert findet sich im Anhang auch noch ein "Plan der Astronomie-Ausstellung im Deutschen Museum". Was es in dieser Ausstellung denn nun genau zu sehen gibt, wo das Museum überhaupt ist und weitere nützliche Informationen fehlen dagegen.

Das Buch von Helmut Hornung wendet sich zwar an Leser ab 12 Jahren, liest sich aber über weite Strecken wie ein Sachbuch für jedes Alter. Man darf sich nur nicht daran stören, vom Autor geduzt zu werden. Nach einem Viertel des Buches fällt jedoch ein Junge namens Felix quasi vom Himmel. Felix ist ein Teenager ohne Eigenschaften, der aus irgendeinem Grund ein Referat über Astronomie halten soll und den der Leser eine Zeit lang dabei begleitet. Es fällt mir schwer, in Felix eine Identifikationsfigur für jugendliche Leser zu sehen und war froh, dass er genauso plötzlich wieder aus dem Buch verschwand, wie er auftauchte.

Als weiteres Stilmittel neben den Felix-Passagen baut der Autor immer wieder szenische Darstellungen ein, wie man sie aus Fernsehdokumentationen zu geschichtlichen Themen gewohnt ist. Wie im Fernsehen ist dabei auch nie ganz klar, ob sich der geschilderte Fall nun wirklich so zugetragen hat, oder ob jeweils nur eine Stimmung und eine bestimmte Aussage transportiert werden soll. Da Helmut Hornung mit Quellenangaben geizt, kann dies auch kaum geklärt werden. So schreibt er beispielsweise: "Schon Galileo Galilei sah mit seinem einfachen Fernrohr diesen mit 21 000 Kilometern Längsausdehnung überdimensionalen Wirbelsturm [gemeint ist der große Rote Fleck des Jupiter]". Zu dieser Aussage hätte ich sehr gerne die Quellenangabe, da ich mir nicht vorstellen kann, dass Galilei mit seinem kleinen Teleskop diese Beobachtung gelang. Schließlich konnte er nicht mal die Ringe des Saturns als Ringe erkennen.

Auch spekuliert der Autor, dass Rogerius Baco (Roger Bacon) schon im 13. Jahrhundert das Teleskop erfunden haben könnte: "Nach seinem Tod erschien eine Schrift, in der Rogerius Baco beschreibt, wie er Kinder als Riesen gesehen und Sonne und Mond herangezogen habe." Ich finde das interessant, aber Helmut Hornung sagt mir als Leser nicht, wie diese Schrift heißt und woher er das weiß. Und wer war eigentlich der "italienische Gelehrte", der 1672 Algol als Veränderlichen erkannte? Ich denke es war Geminiano Montanari – Wikipedia sei dank.

Solche Lücken in der Darstellung historischer Zusammenhänge sind auch der Lesbarkeit des Buches geschuldet und sicherlich nehmen es Jugendliche da nicht immer so genau. Mit unfreiwilliger Ironie kommentiert der Autor die Problematik selbst. Zunächst erzählt er, wie Gustav Robert Kirchhoff und Robert Bunsen die nächtliche Beleuchtung des Heidelberger Schlosses nutzen, um ihre Theorie der Spektralanalyse zu prüfen. Diese Passage endet mit dem Satz: "Das nächtliche Unternehmen soll tatsächlich stattgefunden haben, auch wenn die Handlung hier frei erfunden ist." Wer also zwar unterhaltsame, aber frei erfundene Handlungen rund um die Astronomie schätzt, wird in diesem Buch fündig.

Einen neuen Stil führt der Autor dann in den Kapiteln über stellare Astronomie ein. Die Sonne selbst erzählt uns ihre Lebensgeschichte. Nicht nur die Sonne, sondern alles wirkt irgendwie merkwürdig beseelt. So mögen die Vertreter der Hauptreihensterne im Hertzsprung-Russel-Diagramm die "fetten, massereichen Vertreter dieses Riesenasts gar nicht", weil "sie arrogant auf unsereins herabblicken." Hier frage ich mich, welche Physik sich hinter solch einer blumigen Formulierung wohl verbergen mag. Ist das nur Lust am fabulieren oder will der Autor etwas erklären? Ähnlich geht es auch zu, wenn er die Fusion des solaren Wasserstoffs zu Helium erklärt. Hier heißt es unter anderem: "Keiner gibt nach, beide Gegner sind ja gleich stark. Schließlich sehen sie ein, dass hier nur Verhandlungen helfen."

Der Proton-Proton-Zyklus wird hier aufgeführt als diplomatisches Theaterstück. Warum dieser Fusions-Prozess aber eigentlich abläuft bleibt unklar; Energie wird jedenfalls freigesetzt, weil das Produkt masseärmer ist als der eingesetzte Wasserstoff. In diesem so genannten Massendeffekt steckt die freigesetzte Energie, die sich mit Einsteins berühmter Formel von der Energie-Massen-Äquivalenz berechnen lässt. Diese Einstein'sche Formel beschreibt der Autor zwar, allerdings ohne sie auszuschreiben. Solcherlei Formelvermeidung ist ein weiterer Punkt, den ich kritisieren muss. Natürlich soll so ein Sachbuch die jungen Leser nicht gleich wieder an ein Schulbuch erinnern, doch gibt es eine handvoll Formeln, um die man redlicherweise nicht herumkommt und welche die Leser auch gerne sehen oder sogar wiedererkennen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es didaktisch sinnvoll ist, beispielsweise die berühmte Drake-Gleichung für die Häufigkeit außerirdischer Intelligenz in Worten zu beschreiben, ohne sie abzudrucken.

Didaktisch sinnvoll wäre auch noch die eine oder andere zusätzliche Abbildung gewesen. Können sich Astronomie-Novizen wirklich etwas unter der Schleifenbewegung der äußeren Planeten oder den Phasen der Venus vorstellen? Warum nicht einfach eine Abbildung mit der Ansicht des Mars um die Zeit seiner Opposition? Warum begeistert über Eta Carinae und den Homunkulus-Nebel schreiben, wenn man ihn dann nicht zeigt? Ich verstehe auch nicht, warum der Autor zwar auf das "Gespann Cassini-Huygens" eingeht, dann aber keine wirklich aktuellen Bilder aus dem Saturnsystem zeigt.

Und leider rutscht Helmut Hornung gelegentlich auch ins onkelhafte ab, so wenn er darauf hinweist, wie viel schöner es doch ist, auf seinem Computer Astronomie-Programme laufen zu lassen, statt Weltraumballerspiele zu spielen oder Star Wars anzuschauen. Jugendliche, die ihm bis auf diese Seite 297 gefolgt sind, haben solch eine Ermahnung nicht nötig. Ein anderes Beispiel ist, wenn er sich hartnäckig weigert, den beliebten englischen Merksatz für die Abfolge der Spektralklassen niederzuschreiben: Also "Oh be a fine girl kiss me" als Eselsbrücke für die Abfolge O, B, A, F, G, K, M. Stattdessen fabuliert er "Opa bastelt am Freitag gern kleine Männchen". Ich würde sagen, seine Zielgruppe spricht hier lieber englisch.

Insgesamt gesehen ist das Buch von Helmut Hornung oft überraschend und unterhaltsam geschrieben. Mir persönlich enthält es aber zu viele sachliche Ungenauigkeiten und keine wirklich konsequente didaktische Konzeption.

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