Ermüdende Erweckung
Der amerikanische Philosoph Daniel Dennett liebt es, zu provozieren; aber die Fachkollegen durch die Bank als Schlafmützen zu bezeichnen, bleibt dem deutschen Untertitel vorbehalten. Im Original heißt es recht seriös: "Philosophische Hindernisse für eine Wissenschaft des Bewusstseins". Das Buch dreht sich vor allem um die Frage, ob naturwissenschaftliche Erklärungen ausreichen, das Wesen psychischer Erlebnisse wie Farbe, Schmerz und Ich-Bewusstsein zu erfassen.
Dennett meint: Ja. Da er gern provoziert, bezeichnet er sich keck als Materialist, während man hier zu Lande ähnliche Positionen lieber mit dem ideologisch weniger belasteten Terminus Naturalismus umschreibt. Jedenfalls ist so jemand davon überzeugt, dass uns alles Wissenswerte über die Welt mit den Mitteln der empirischen Wissenschaften zugänglich ist. Besondere geistige Substanzen, die man nicht messen und wägen kann, werden nicht gebraucht.
Dieser Standpunkt erregt heutzutage unter Wissenschaftlern kaum mehr als ein Achselzucken, und sogar viele Philosophen würden ihn tolerieren – solange nur von der großen, weiten Welt da draußen die Rede ist und nicht von unserem eigenen Innenleben. Doch genau dorthin dringt die moderne Naturwissenschaft in Gestalt der Hirnforschung vor und tastet unser Eingemachtes an. Und damit hört für viele Philosophen der Spaß endgültig auf.
Sie wiederholen dabei im Grund immer nur ein Argument, das Gottfried Wilhelm Leibniz schon Ende des 17. Jahrhunderts vorgebracht hat: Angenommen, wir könnten uns ganz klein machen und zwischen den mikroskopischen Bausteinen des Gehirns umherspazieren; da würden wir zwar interessante physikalisch-chemische Vorgänge aus der Nähe beobachten können, aber gewiss keine Farben und Gerüche, keine Schmerzen und Erinnerungen. Voilà, Messieurs, damit ist bewiesen, dass der Geist sich nicht auf Physik und Chemie reduzieren lässt!
Mit diesem Argument und seinen vielen Abkömmlingen hat Dennett sich schon 1991 in seinem Hauptwerk mit dem provokanten Titel "Consciousness Explained" (deutsch brav als "Philosophie des menschlichen Bewusstseins" erschienen) tapfer herumgeschlagen, und im vorliegenden Buch liefert er seinen Kritikern elegante Nachgefechte. Dabei zieht er ein plastisches Bild stets einer umständlichen Beweisführung vor; Gelächter im Publikum und Applaus für eine gelungene Pointe sind ihm lieber als erschöpfendes Begriffsgeplänkel. Damit garantiert er dem Leser jedenfalls – mit einer kleinen Einschränkung, siehe unten – unerwartet gute Unterhaltung.
Bei ruhigem Nachdenken fühlt man sich zwar von Dennetts Tricks manchmal über den Zaubertisch gezogen, aber ich nehme ihm das nicht übel, denn seine Gegner arbeiten auch nicht gerade mit sauberen Methoden. John Searle erfindet ein "Chinesisches Zimmer", in dem jemand, der kein Wort Chinesisch kann, dennoch eine perfekte Übersetzungsmaschine simuliert. Frank Jackson denkt sich eine Wissenschaftlerin aus, die alles über Farben weiß, obwohl sie noch nie eine gesehen hat. Thomas Nagel fragt sich und uns, wie es sich wohl anfühlt, eine Fledermaus zu sein. Beliebt sind auch Zombies, das heißt Wesen, die sich genau wie wir Menschen verhalten, nur ohne eine Spur Bewusstsein. Solche Gedankenspiele nennt Dennett Intuitionspumpen: Sie geben uns die Illusion, das Problem des Bewusstseins sei unlösbar, und produzieren doch nur trügerische heiße Luft.
Jedenfalls ist es sehr unterhaltsam und obendrein lehrreich, Dennett zuzusehen, wie er einen dieser Ballons nach dem anderen zum Platzen bringt. Nur macht der philosophische Zauberkünstler einen großen Fehler: Er geht nicht rechtzeitig von der Bühne. Gegen Ende des Buchs, eigentlich eine Sammlung verstreuter Aufsätze, häufen sich Wiederholungen – und ein wiederholter Scherz ist ein müder. Aber trotzdem, wir wollen nicht so sein: Applaus, Applaus.
Dennett meint: Ja. Da er gern provoziert, bezeichnet er sich keck als Materialist, während man hier zu Lande ähnliche Positionen lieber mit dem ideologisch weniger belasteten Terminus Naturalismus umschreibt. Jedenfalls ist so jemand davon überzeugt, dass uns alles Wissenswerte über die Welt mit den Mitteln der empirischen Wissenschaften zugänglich ist. Besondere geistige Substanzen, die man nicht messen und wägen kann, werden nicht gebraucht.
Dieser Standpunkt erregt heutzutage unter Wissenschaftlern kaum mehr als ein Achselzucken, und sogar viele Philosophen würden ihn tolerieren – solange nur von der großen, weiten Welt da draußen die Rede ist und nicht von unserem eigenen Innenleben. Doch genau dorthin dringt die moderne Naturwissenschaft in Gestalt der Hirnforschung vor und tastet unser Eingemachtes an. Und damit hört für viele Philosophen der Spaß endgültig auf.
Sie wiederholen dabei im Grund immer nur ein Argument, das Gottfried Wilhelm Leibniz schon Ende des 17. Jahrhunderts vorgebracht hat: Angenommen, wir könnten uns ganz klein machen und zwischen den mikroskopischen Bausteinen des Gehirns umherspazieren; da würden wir zwar interessante physikalisch-chemische Vorgänge aus der Nähe beobachten können, aber gewiss keine Farben und Gerüche, keine Schmerzen und Erinnerungen. Voilà, Messieurs, damit ist bewiesen, dass der Geist sich nicht auf Physik und Chemie reduzieren lässt!
Mit diesem Argument und seinen vielen Abkömmlingen hat Dennett sich schon 1991 in seinem Hauptwerk mit dem provokanten Titel "Consciousness Explained" (deutsch brav als "Philosophie des menschlichen Bewusstseins" erschienen) tapfer herumgeschlagen, und im vorliegenden Buch liefert er seinen Kritikern elegante Nachgefechte. Dabei zieht er ein plastisches Bild stets einer umständlichen Beweisführung vor; Gelächter im Publikum und Applaus für eine gelungene Pointe sind ihm lieber als erschöpfendes Begriffsgeplänkel. Damit garantiert er dem Leser jedenfalls – mit einer kleinen Einschränkung, siehe unten – unerwartet gute Unterhaltung.
Bei ruhigem Nachdenken fühlt man sich zwar von Dennetts Tricks manchmal über den Zaubertisch gezogen, aber ich nehme ihm das nicht übel, denn seine Gegner arbeiten auch nicht gerade mit sauberen Methoden. John Searle erfindet ein "Chinesisches Zimmer", in dem jemand, der kein Wort Chinesisch kann, dennoch eine perfekte Übersetzungsmaschine simuliert. Frank Jackson denkt sich eine Wissenschaftlerin aus, die alles über Farben weiß, obwohl sie noch nie eine gesehen hat. Thomas Nagel fragt sich und uns, wie es sich wohl anfühlt, eine Fledermaus zu sein. Beliebt sind auch Zombies, das heißt Wesen, die sich genau wie wir Menschen verhalten, nur ohne eine Spur Bewusstsein. Solche Gedankenspiele nennt Dennett Intuitionspumpen: Sie geben uns die Illusion, das Problem des Bewusstseins sei unlösbar, und produzieren doch nur trügerische heiße Luft.
Jedenfalls ist es sehr unterhaltsam und obendrein lehrreich, Dennett zuzusehen, wie er einen dieser Ballons nach dem anderen zum Platzen bringt. Nur macht der philosophische Zauberkünstler einen großen Fehler: Er geht nicht rechtzeitig von der Bühne. Gegen Ende des Buchs, eigentlich eine Sammlung verstreuter Aufsätze, häufen sich Wiederholungen – und ein wiederholter Scherz ist ein müder. Aber trotzdem, wir wollen nicht so sein: Applaus, Applaus.
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