Technik: Ein stolzer Band über das, was noch kommen wird
Mit der bei Prognosen gebotenen Vorsicht macht sich der Brockhaus-Band „Technologien für das 21. Jahrhundert“ auf die Suche nach den Schlüsseltechnologien der Zukunft. Das Buch führt hierzu die Beiträge von 25 namhaften Autoren aus den Bereichen Gentechnik, Laser, Energieversorgung, Materialien und Werkstoffe, Miniaturisierung, Informationsverarbeitung und Raumfahrt zusammen. Ein besonderes Lob gilt dabei der Aufbereitung. Die Erläuterungen sind für fachfremde Leser gut verständlich, ohne unnötig an Präzision zu verlieren. Anschauliche Grafiken und erläuternde Randnoten erhöhen die Lesbarkeit weiter und machen Lust auf mehr. Allerdings leidet die Übersichtlichkeit unter dem nicht immer glücklichen thematischen Zuschnitt. So werden Simulationsmethoden wie Finite-Elemente unter der Überschrift „Parallelcomputer“ abgehandelt und virtuelle Realität bei „integrierter Fertigung“. Im Kapitel „Neue Materialien und Werkstoffe“ werden Anwendungen aus Raumfahrt und Energieversorgung beschrieben. Natürlich: Solche Zuordnungsschwierigkeiten sind unausweichlich. Die Anwendung des notwendigen Gegenmittels wird aber leider versäumt: Es gibt keine Vernetzung der Beiträge untereinander; Verweise innerhalb des Buches fehlen fast völlig. Zudem ist das Stichwortverzeichnis lückenhaft und interessierende Passagen bisweilen unauffindbar. Thematisch überrascht eine große Lücke im Bereich der Kommunikationstechnologien. Ihre explosionsartige Entwicklung und Verbreitung zeitigen bereits heute tief greifende Auswirkungen. Wie könnte also Kommunikation in der Zukunft aussehen? Wie viel Virtualität ist technisch machbar, wie viel überhaupt wünschenswert? Das Kapitel über Informationsverarbeitung beschränkt sich leider auf „Robotik und integrierte Fertigung“, „Parallelrechner“ sowie (angenehm nüchtern) „Künstliche Intelligenz“. Eine besonders große Herausforderung für den Band liegt zwischen den Zeilen. Keine Technologie ist ein Wert an sich. Stets sind neben dem Nutzen auch die Schattenseiten zu berücksichtigen. Der fundierte und spannende Einführungsbeitrag verweist auf die Gratwanderung zwischen „Technophilie“ und „Technophobie“ und bestimmt die ethischen Maßstäbe. — Erfüllen kann das Buch sie jedoch nicht. Mögliche Einwände gegen neue Technologien werden bei vielen Autoren eher lapidar erwähnt. Wird z.B. die aktuelle Diskussion über ethische Grenzen in der Humangenetik sehr differenziert wiedergegeben, steht dem starken Plädoyer für die „grüne Gentechnik“ kaum etwas gegenüber. Insgesamt hat der Brockhaus-Verlag eine spannende Darstellung heutiger und möglicher zukünftiger Technologien vorgelegt. In „Technologien für das 21. Jahrhundert“ zu schmökern macht Spaß, und jeder wird neue Details und Denkanstöße finden. Nur unbefriedigend eingelöst bleibt allerdings der selbst erhobene Anspruch: Technologien nicht nur nach Machbarkeit und Faszination, sondern auch unter gesellschaftlichen Fragestellungen zu bewerten. Wofür die beschriebenen Technologien den Schlüssel darstellen, welche Probleme sie lösen und welche sie schaffen werden, dies wird erst das 21. Jahrhundert selbst enthüllen.
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