Als Nachschlagewerk ungeschlagen - der neue "Wichtl"
Die ursprüngliche Idee für den „Wichtl“ kam 1984 aus dem Apothekeralltag, wo Patienten im Zuge der steigenden Nachfrage nach pflanzlichen Zubereitungen ihren Wunsch nach einem Tee immer öfter so äußerten: „Sie wissen doch, welcher am besten ist.“ Seither trägt das Werk in der mittlerweile vierten Auflage den neusten Erkenntnissen Rechnung und leistet einen wichtigen Beitrag, die Therapie mit pflanzlichen Zubereitungen auf eine rationelle wissenschaftliche Basis zu stellen. Als prominentestes Beispiel dafür, wie sehr die Kenntnis über Wirkungen und auch Nebenwirkungen in diesen Bereichen über die letzten Jahre zugenommen hat, dient sicherlich das Johanneskraut: Galt es früher noch als völlig nebenwirkungsfrei, sind heute zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bekannt, die auf der Induktion von Leberenzymen beruhen. Am bewährten Aufbau des Buches hat der Herausgeber auch diesmal nicht gerüttelt. So wird der Leser im allgemeinen Teil zunächst mit Grundlagen von Teezubereitungen, Phytopharmaka und den erforderlichen Qualitätskontrollen vertraut gemacht. Das Herzstück bilden die Drogen-Monographien, welche in der neusten Auflage um weitere 19 auf mittlerweile satte 210 aufgestockt und umfassend aktualisiert wurden. Eingeleitet wird eine solche Monographie stets von Farbaufnahmen, welche die geschnittene Droge im Original beziehungsweise vergrößert, sowie die Stammpflanze zeigen – der Erklärungstext weist dazu auf alle zur Identifikation nötigen makroskopischen Merkmale hin. Weiterhin folgen detaillierte Angaben zu Herkunft, Synonymen, Inhaltsstoffen, Indikationen, Teezubereitung, verfügbaren Phytopharmaka, mikroskopischen Merkmalen, Prüfung auf mögliche Verfälschungen, Wirkungen und Nebenwirkungen. Hinzu kommen zahlreiche Photos etwa der unter dem Mikroskop erkennbaren Strukturen oder von entwickelten DC-Platten in Originalgröße, denen in der Qualitätskontrolle eine große Bedeutung zukommen. Für den Chemiker sind die Strukturformeln der einzelnen Inhaltsstoffe von besonderem Interesse. Abgerundet wird jede Monographie von einer umfangreichen Sammlung aktueller Literaturzitate. Premiere feiern die so genannten „Kurzmonographien“, welche in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst werden. Zu ihnen zählen Drogen, die zwar 2001 neu in das Europäische Arzneibuch aufgenommen wurden, denen aber in Mitteleuropa bislang nur eine geringe Bedeutung zukommt. Abgerundet wird das Buch durch das Indikations-Verzeichnis, in dem die Drogen Anwendungsgebieten zugeordnet werden, und einem deutsch-lateinischen Register. Mit seinen rund 700 Seiten nimmt das Buch dabei schon fast Lexikoncharakter an, was auch daran liegt, dass sich der Herausgeber nicht zu einer Streichung eigentlich obsoleter Drogen durchringen konnte, weil solche Informationen anderswo sonst kaum noch zu finden sind. Der Wichtl ist und bleibt deshalb ein unverzichtbares Handbuch für phytopharmazeutisch interessierte Apotheker und für Ärzte – sein logischer Aufbau, glasklares Layout, und konkurrenzloser Umfang sprechen für sich. Auch Studenten und interessierten Laien kann man das Buch als Nachschlagewerk empfehlen, allerdings bieten sich diesen angesichts des hohen Preises von knapp 120 Euro sicherlich auch günstigere Alternativen an.
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