Im Ende war die Formel. Physiker auf dem Weg ins frühe Universum
“Les Houches“ ist die europäische Sommerschule für Nachwuchsköpfe in der Physik — und glücklich all jene, die teilnehmen dürfen. Damit aber auch die Daheimgebliebenen nicht leer ausgehen müssen, gibt es die von den honorigen Dozenten selbst verfassten „Lecture Notes“ zu den einzelnen Vorlesungen. 1999 stand der Sommer ganz im dem Zeichen des frühen Universums, und wie immer berichteten ausgewiesene Experten über den richtigen Zugang, den Status quo der Forschung und die aktuellen Fragen in ihren Spezialgebieten. Jetzt ist der zugehörige Sammelband „The Primordial Universe“ erschienen und dokumentiert die neuesten Antworten auf unsere uralte Frage nach dem Woher der Welt. Besonders interessant macht das Buch, dass nicht nur die Theoretiker, sondern auch die mit den Grenzen des Machbaren vertrauten Experimentalphysiker mit Beiträgen vertreten sind. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass sowohl konventionelle, etablierte Modelle als auch reichlich spekulative Ideen vorgestellt werden. Im Einzelnen erwähnt seien: ein ausführlicher Artikel von F. R. Bouchet (Paris), in dem die kosmische Hintergrundstrahlung von ihrer experimentellen Analyse bis zu den daraus ableitbaren Aussagen über das frühe Universum diskutiert wird; die Supersymmetrie-Einführung von K. A. (Minneapolis), die — einmal anders —ganz im Zeichen der Astrophysik steht; eine gründliche Darstellung der Theorie der Inflation von A. Linde (Stanford), einem ihrer Gründungsväter; sowie die Vorlesung von G. Veneziano (Genf), der zu der fast paradox anmutenden Frage „Was war vor dem Urknall?“ im Rahmen seiner String-Kosmologie anregende neue Denkanstöße gibt. Weitere Top-Themen wie Nukleosynthese, Baryogenese, Strukturbildung, Dunkle Materie, Quintessenz und M-Theorie in der Kosmologie fehlen ebenfalls nicht. Natürlich richtet sich das Buch ausnahmslos an Leser mit einem festen Hintergrund in theoretischer Physik; Populärwissenschaftliches ist nirgends zu finden. Da es darüber hinaus nicht um ein einheitlich von nur einem Autor verfasstes Buch handelt, entbehren die einzelnen Vorlesungen einer gezielten Abstimmung aufeinander. So werden zum Teil recht unterschiedliche Vorkenntnisse für die einzelnen Teile vorausgesetzt und durchweg längst nicht alle Grundlagen zum Verständnis neu gelegt. Aber mit den üppigen Literaturverzeichnissen kann das Buch auch als Startpunkt für eine weitere Einarbeitung in die Themen dienen. Lediglich vom Verlag hätte man bei dem stolzen Verkaufspreis auch ein übergreifendes Stichwortregister erwarten dürfen.
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