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Facetten einer Katastrophe

Für rund 50 000 Euro ist man dabei: Gute 14 Tage dauert die Reise zur Titanic. Angeboten wird der Trip für den Sommer 2012 von einem bekannten Abenteuerunternehmen auf einer ebenso bekannten Internetverkaufsplattform. Was heute zu einem Ausflug in die Vergangenheit für Gutbetuchte wird, begann in der tiefschwarzen, sternenklaren und bitterkalten Nacht des 14. April 1912. Der größte Luxusliner der Welt versank in den Tiefen des Atlantiks, nachdem er einen Eisberg gerammt hatte.

Das Szenario hätte kaum theatralischer für eine Katastrophe dieses Ausmaßes sein können. Rund 1500 Menschen kostete der Untergang des Dampfers das Leben. Doch das Schiffsunglück war mit Abstand nicht das schlimmste in der modernen Seefahrt, wohl aber jenes um das sich heute die meisten Mythen und Spekulationen ranken, schreibt die Kulturwissenschaftlerin Linda Maria Koldau in ihrem Buch "Titanic – Das Schiff, der Untergang, die Legenden". Pünktlich zum 100. Jahrestag der Katastrophe zieht Koldau Bilanz: Wie war das Leben auf dem Ozeanliner, der der größte seiner Zeit war? Wie ging man mit der Erforschung des Wracks um? Wie steht es heute um die Titanic, deren Überreste sich die Natur langsam zurückholt?

Koldau entwickelt in ihrem Buch ein umfassendes Bild, das sich über 100 Jahre um das legendäre Schiff gebildet hat. Sie erklärt die Konstruktion des Schiffes. Sie beschreibt die sozialen Verhältnisse des frühen 20. Jahrhunderts und die einzigartige Tatsache, dass die Passagiere der Titanic genau die Bevölkerungsstruktur der damaligen Zeit widerspiegelten. Ebenso gibt sie einen Einblick in die Technikverliebtheit der damaligen Zeit und der weit verbreitete Überzeugung, die Natur perfekt beherrschen zu können.

Ausführlich geht sie auf die Nacht der Katastrophe ein und schildert die wichtigsten persönliche Schicksale von Besatzung und Passagieren. So erfährt der Leser, dass etwa das Schicksal vieler Männer sich daran entschied, ob sie links oder rechts auf das Deck mit den Rettungsbooten traten, nachdem klar war, dass das Schiff der Kollision mit dem Eis nicht standhalten und schnell sinken wird. Auf der Backbordseite nämlich ließ der zweite Offizier, Charles Lightoller, überhaupt keine Männer mit in die Rettungsboote, auf der Steuerbordseite jedoch trennte der erste Offizier William Murdoch Männer nicht von ihren Familien. In der Beschreibung der letzten zwei Stunden der Titanic und vieler ihrer Passagiere wird Koldau persönlich und verlässt auf angenehme Weise die emotionsarme Perspektive des Sachbuchs.

Spannend liest sich auch das Kapitel über die Entdeckung des Wracks durch Robert Ballard. Koldau beschreibt, wie lange es dauerte, bis Ballard seine Expedition zum Erfolg führen konnte und die ersten Wrackteile in 3800 Meter Tiefe mit dem Sonar ausmachte. Kritisch geht sie auch auf die anschließende Bergung von über 5000 Artefakten und damit die kommerzielle Ausschlachtung ein. Auch Cineasten kommen auf ihre Kosten: Koldau widmet ein ganzes Kapitel der filmischen Aufbereitung des Unglücks – vom ersten Film, der bereits kurz nach der Katastrophe erschien bis hin zu James Camerons "Romantisierung des Grauens", wie die Autorin den Blockbuster aus dem Jahr 1997 beschreibt.

Koldau beleuchtet in ihrem Buch alle wichtigen Aspekte zum Thema Titanic, einige Schwarz-Weiß-Fotografien sowie Konstruktionszeichnungen und Filmplakate ergänzen die Texte. Beim Leser ruft Koldau das Gefühl hervor, Halbwissen ergänzt und hervorragend komplettiert zu haben.

  • Quellen
Spektrum.de

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