Das Kollektiv entscheidet
Man nehme eine Hand voll spannend erzählter Anekdoten, verblüffende Studienergebnisse und eine starke Botschaft – fertig ist der Sachbuch-Bestseller. Der US-Wissenschaftsreporter Malcolm Gladwell beherrscht dieses Rezept nahezu perfekt. Auch sein neuester Streich, eine Abrechnung mit dem amerikanischen Mythos vom Selfmademan, erfüllt alle drei Erfolgskriterien. Trotzdem überzeugt er nicht ganz.
Der Reihe nach: Wie schon in seinen früheren Büchern "Tipping Point" und "Blink!" (siehe Rezension in G&G 5/2005, S. 80) erweist sich Gladwell erneut als gewiefter Erzähler. Er fällt nicht mit der Tür ins Haus, sondern schildert in jedem Kapitel zunächst ausführlich Geschichten von Wohl oder Wehe der Menschen, darunter die Erfolgsstory des Computer-Tycoons Bill Gates oder des New Yorker Staranwalts Joe Flom, aber auch das Scheitern eines Mannes, dem es trotz eines Intelligenzquotienten von 195 nicht einmal gelang, sein Studium abzuschließen.
Stets ist Gladwell mit seiner These zur Stelle: Erfolg sei weniger das Resultat individueller Begabung und Leistung als vielmehr der Umstände – der Erziehung, der kulturellen Prägung und der Chancen, die sich bieten. Ob Athleten, Unternehmer oder Genies, sie alle profitierten demnach weit mehr von Glück, Gelegenheit und Gesellschaft als von den Stärken ihrer eigenen Persönlichkeit. Das verbreitete Vorurteil, Menschen schöpften ihren Erfolg aus sich selbst heraus – nichts als eine große Illusion.
Um dies zu untermauern, berichtet Gladwell von einer Fülle überraschender Erkenntnisse über eben jene Rahmenbedingungen, die Erfolg beeinflussen. So zum Beispiel der Effekt des relativen Alters im Sport: Wer kurz nach der Jahrgangsgrenze für die Aufnahme in eine Vereinsaltersklasse geboren wurde – etwa im Januar oder Februar, wenn der Stichtag auf den 1. Januar fällt –, der ist folglich weiter entwickelt als seine jüngeren Konkurrenten und wird in der betreffenden Disziplin eher erfolgreich sein.
Gladwell führt uns an vielen Beispielen die Macht solcher verborgenen Einflüsse vor Augen. Jüdischstämmige USStaranwälte wären ohne den Unternehmergeist ihrer Einwanderereltern eben- so undenkbar wie die mathematische Begabung von Asiaten ohne das vergleichsweise einfache Zahlensystem ihrer Sprachen.
Intelligenz, Mut, Ehrgeiz – alles schön und gut, doch am Ende entscheiden höhere Mächte. "Wir zollen den Erfolgreichen übertriebene Bewunderung und den Erfolglosen übertriebene Verachtung ", glaubt Gladwell.
Streitbare Thesen über die Wurzeln des Erfolgs
Im Eifer seiner Argumentation schießt der Autor jedoch über das Ziel hinaus. Es ist nicht nötig, sich zwischen den Erfolgsfaktoren Kultur und Gelegenheit auf der einen sowie Persönlichkeit auf der anderen Seite zu entscheiden. Nicht entweder die Person oder die Umwelt bedingt Erfolg, sondern die Wechselwirkung zwischen beiden.
Gladwells mit Verve vorgetragenes Fazit, man müsse nur Chancengleichheit gewährleisten, damit sich auch sozial Benachteiligte in "Überflieger" verwandeln, erscheint blauäugig. Streiten lässt sich über seine These also vortrefflich – auch das eine bewährte Zutat erfolgreicher Bücher.
Der Reihe nach: Wie schon in seinen früheren Büchern "Tipping Point" und "Blink!" (siehe Rezension in G&G 5/2005, S. 80) erweist sich Gladwell erneut als gewiefter Erzähler. Er fällt nicht mit der Tür ins Haus, sondern schildert in jedem Kapitel zunächst ausführlich Geschichten von Wohl oder Wehe der Menschen, darunter die Erfolgsstory des Computer-Tycoons Bill Gates oder des New Yorker Staranwalts Joe Flom, aber auch das Scheitern eines Mannes, dem es trotz eines Intelligenzquotienten von 195 nicht einmal gelang, sein Studium abzuschließen.
Stets ist Gladwell mit seiner These zur Stelle: Erfolg sei weniger das Resultat individueller Begabung und Leistung als vielmehr der Umstände – der Erziehung, der kulturellen Prägung und der Chancen, die sich bieten. Ob Athleten, Unternehmer oder Genies, sie alle profitierten demnach weit mehr von Glück, Gelegenheit und Gesellschaft als von den Stärken ihrer eigenen Persönlichkeit. Das verbreitete Vorurteil, Menschen schöpften ihren Erfolg aus sich selbst heraus – nichts als eine große Illusion.
Um dies zu untermauern, berichtet Gladwell von einer Fülle überraschender Erkenntnisse über eben jene Rahmenbedingungen, die Erfolg beeinflussen. So zum Beispiel der Effekt des relativen Alters im Sport: Wer kurz nach der Jahrgangsgrenze für die Aufnahme in eine Vereinsaltersklasse geboren wurde – etwa im Januar oder Februar, wenn der Stichtag auf den 1. Januar fällt –, der ist folglich weiter entwickelt als seine jüngeren Konkurrenten und wird in der betreffenden Disziplin eher erfolgreich sein.
Gladwell führt uns an vielen Beispielen die Macht solcher verborgenen Einflüsse vor Augen. Jüdischstämmige USStaranwälte wären ohne den Unternehmergeist ihrer Einwanderereltern eben- so undenkbar wie die mathematische Begabung von Asiaten ohne das vergleichsweise einfache Zahlensystem ihrer Sprachen.
Intelligenz, Mut, Ehrgeiz – alles schön und gut, doch am Ende entscheiden höhere Mächte. "Wir zollen den Erfolgreichen übertriebene Bewunderung und den Erfolglosen übertriebene Verachtung ", glaubt Gladwell.
Streitbare Thesen über die Wurzeln des Erfolgs
Im Eifer seiner Argumentation schießt der Autor jedoch über das Ziel hinaus. Es ist nicht nötig, sich zwischen den Erfolgsfaktoren Kultur und Gelegenheit auf der einen sowie Persönlichkeit auf der anderen Seite zu entscheiden. Nicht entweder die Person oder die Umwelt bedingt Erfolg, sondern die Wechselwirkung zwischen beiden.
Gladwells mit Verve vorgetragenes Fazit, man müsse nur Chancengleichheit gewährleisten, damit sich auch sozial Benachteiligte in "Überflieger" verwandeln, erscheint blauäugig. Streiten lässt sich über seine These also vortrefflich – auch das eine bewährte Zutat erfolgreicher Bücher.
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