Natur: Gefiederte Freunde
Murphy's Law ist auch Vogelbeobachtern bekannt. Bestimmte Arten, die man unbedingt sehen will, fliegen jedes Mal just dann aus dem Sichtfeld, wenn man sie mit dem Fernglas in den Fokus nehmen will. Die Journalistin und Hobbyornithologin Johanna Romberg – bekannt als langjährige »GEO«-Autorin – erlebt das immer wieder mit Spechten. Selbst in perfekt geeigneten Wäldern entziehen sich die Tiere ihrer Beobachtung, wie Romberg in diesem ebenso unterhaltsamen wie lehrreichen Buch schreibt.
Trotz dieses Misserfolgs lässt sie sich jedoch nicht von ihrem Hobby abbringen. Warum auch? Schließlich bereitet es der Autorin seit Jahrzehnten Vergnügen. Schon als Kind spähte sie durch Ferngläser, um Vögel zu beobachten und zu bestimmen. Sie besitzt sogar noch ihr erstes Bestimmungsbuch »Was fliegt denn da?« aus dem Jahr 1964. Seit jener Zeit beschäftigt sie auch die Frage, welchen Vogel sie damals im Sommer in den Alpen erblickte, aber nie richtig identifizieren konnte. Ein Problem, das nicht wenige Vogelbeobachter kennen. Vogelbuch und Fernglas halfen ihr zudem, die üblichen Urlaubs- und Wochenendwanderungen mit den Eltern zu überstehen.
Begeisterung und Sorge
In insgesamt zwölf Kapiteln und neun »Zugeflogen« genannten, kürzeren Geschichten bringt Romberg den Lesern näher, was das Vogelbeobachten für sie bedeutet, wie sie sich die Arten und deren Gesänge erschlossen hat und welchen Gefahren die Tiere heute ausgesetzt sind. Man spürt in jeder Zeile ihre Begeisterung und ihre Sorge, schließlich durchlebt die Vogelwelt seit Jahrzehnten einen drastischen Wandel. Viele früher verbreitete Arten wie Kiebitz oder Feldlerche sind heute großflächig verschwunden, weil sie in der aufgeräumten Agrarlandschaft mit ihrer industriellen Bewirtschaftung keinen Platz mehr finden.
Wie es sich für eine »GEO«-Autorin gehört, ist Romberg auch an verschiedene Orte in Deutschland gereist, um sich mit Fachleuten über die Vögel, deren Lebensräume, Gefährdung und Schutz zu unterhalten. So zog es sie zurück zu ihrem – längst verkauften – Elternhaus und in ihre Heimatstadt Duisburg. Dort besuchte sie mit einem lokalen Experten eine Deponie, die trotz der dortigen menschlichen Aktivitäten ein Vogelparadies ist: Natur braucht keine Aufräumaktionen, sondern mag es durchaus »schäbig«, so der Tenor. Und auch Städte sind nicht lebensfeindlich, im Gegenteil, die Artenvielfalt ist dort oft größer als im Umland. Manche ländlichen Gebiete geben trostlose Einöden ab, in denen fast nur noch Mais wächst und Wiesenbrüter keine Chance mehr haben.
»Federnlesen« kein reines Naturschutzbuch, selbst wenn die Erfolge und Misserfolge der Naturschützer immer wieder ihren (berechtigten) Platz finden. Es legt seinen Schwerpunkt ebenso darauf, wie Interessierte nicht nur für sich das Vogelbeobachten entdecken, sondern auch ihre Fähigkeiten darin verbessern können. Wie findet man das richtige Fernglas? Wie bekommt man die Tiere am besten vor die Linse? Wie kann man die Gesänge erlernen und unterscheiden? Selbstironisch lässt Johanna Romberg dabei immer wieder durchklingen, dass sie darin durchaus kein Profi ist.
Exoten auf Helgoland
Herrlich beschreibt die Autorin das im Kapitel über die Helgoländer Vogeltage, die sie mit zwei Freundinnen besuchte. Deutschlands einzige Hochseeinsel ist nicht nur die Heimat von Deutschlands einziger Seevogelkolonie, sondern auch ein bedeutender Rastplatz für Zugvögel aller Art. Dabei tauchen immer wieder Besonderheiten aus Zentralasien oder Nordamerika auf, die sich verflogen haben und eine spezielle Klientel anziehen: so genannte Birder, die Listen führen und in einem Wettstreit stehen, wer die meisten Vögel hier zu Lande gesehen hat. Für diese Leute (fast ausschließlich Männer) ist ein Wintergoldhähnchen nichts Besonderes, auch wenn es direkt vor einer Hummerbude sitzt. Sie kommen nach Helgoland, um Strandpieper und Gryllteisten zu sehen, Nonnensteinschmätzer oder Gelbbrauen-Laubsänger. Sie tragen große Spektive mit sich und erkennen schon aus dem Augenwinkel viele Arten, die Romberg (oder der Rezensent) erst mühsam mit dem Bestimmungsbuch identifizieren könnten.
Die Freude am Bestimmen und Beobachten zieht sich durch das gesamte Buch. »Federnlesen« ist schön, unterhaltsam und zugleich informativ geschrieben. Es richtet sich an Hobbyvogelbeobachter und Naturfreunde allgemein, aber auch versierte Amateurornithologen finden darin viele nützliche Informationen – vor allem die Berichte vor Ort. In einem kann ich der Autorin allerdings nicht zustimmen: Ihren Vater, schreibt sie, hätten Blaumeisen immer an Franz-Josef Strauß erinnert – fast jedem Bayer würde hier aber eher der bullige Kernbeißer in den Sinn kommen. Dafür hat die Autorin mir voraus, dass sie bereits eine Blauracke in freier Natur beobachtet hat, was mir weder in Spanien noch in Italien oder auf dem Balkan gelang, auch nicht an Orten, wo die Tiere sonst immer sind …
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