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Justitias langer Arm

Die Herrschaft des Gesetzes von der hohen Politik bis in unser Privatleben hinein ist eine Säule abendländischer Kultur und ein Erbe des Römischen Reichs. Viele seiner Rechtsgrundsätze gelten auch heute noch, etwa in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten – oder audiatur et altera pars - auch die andere Seite möge gehört werden.

Detlef Liebs, ein anerkannter Experte für römisches Recht, stellt in seinem spannenden Buch 16 Zivil- und Strafprozesse aus der Antike vor, ohne sich in Juristenlatein zu verheddern. Offenbar waren die damaligen Gerichtsverhandlungen den heutigen nicht unähnlich. Es gab Anklagen und Schwurgerichte, strenge wie milde Richter, aggressive Staatsanwälte und ausgebuffte Strafverteidiger. Allerdings mit einem Unterschied: Die Herren des Gesetzes waren keine ausgebildeten Juristen, sondern honorige Laien, die sich bei ihrer Arbeit am Recht von der öffentlichen Meinung, ihrer Bildung und ihrem persönlichen Rechtsgefühl leiten ließen.

Iustitias Arm war lang und allgegenwärtig, ob in Rom, wo der Stadt- und der Fremdenprätor auf dem Forum Recht sprachen – der eine in Rechtsstreitigkeiten zwischen römischen Bürgern, der andere zwischen Römern und Nichtrömern –, oder in den Provinzen, wo Statthalter die oberste Instanz waren. Überall galt das gleiche Recht, wenngleich es nicht für alle gleich war. Nichtrömer etwa, wie der Prozess gegen einen gewissen Jesus von Nazareth zeigt, waren ohne mächtige Fürsprecher der Strafverfolgung schutzlos ausgeliefert. Andererseits gab es Kaiser, die auch Sklaven Gerechtigkeit widerfahren ließen: Kaiser Hadrian brachte brutale Sklavenhalter vor ein außerordentliches Gericht.
  • Quellen
epoc 2/2008

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