Sündenböcke gefunden?!
Die Kosten im Gesundheitswesen explodieren. Dabei ist es so einfach, eine Lösung zu finden, wenn man den Worten der beiden Medizinjournalisten Rainer Fromm und Richard Rickelmann glaubt. Schuld an der ganzen Misere sind nach deren Meinung in erster Linie Ärzte und Pharmaindustrie.
Die Autoren stellen zum Beispiel den Nutzen von Me-too- oder Nachahmerprodukten infrage. Diese Präparate enthalten neue Wirkstoffe, die im Vergleich zu bereits existierenden Wirkstoffen nur eine leicht veränderte Molekülstruktur zeigen. Der Nutzen der Präparate ist gewiss umstritten. Während die Pharmaindustrie diese Medikamente als innovativ darstellt, sehen Ärzte und Krankenkassen ebenso wie der Arzneiverordnungs-Report diese Arzneimittel als Scheininnovation, die keinen oder nur einen geringen zusätzlichen therapeutischen Nutzen bringt und nur auf den Markt gebracht wird, um die gesetzlichen Regelungen zur Preissenkung von Arzneimitteln zu umgehen.
Wie die Autoren betonen, kritisieren Wissenschaftler, Kassenärztliche Bundesvereinigung und mehrere Kassenärztliche Landesvereinigungen seit einigen Jahren Anwendungsbeobachtungen (AWB). Nur eine sehr geringe Zahl von Anwendungsbeobachtungen sei methodisch abgesichert. Zudem beanstanden sie, dass der größte Teil der AWB gar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen ist, obwohl dies nach den Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgesehen ist. Vorgeworfen wird den Pharmaunternehmen, dass sie Anwendungsbeobachtungen lediglich als Marketing-Instrumente einsetzen, um den Absatz ihrer Medikamente zu erhöhen. Dass es allerdings auch qualitativ hochwertige Anwendungsbeobachtungen gibt, welche alle Anforderungen erfüllen, verschweigen Fromm und Rickelmann leider.
Nach Aussage der Autoren liegen Ermittlern von Krankenkassen Insideraussagen vor, wonach über 50 Prozent der Ärzte Sanitätshausbesitzer erpressen würden. Fromm und Rickelmann werfen Ärzten vor, Patienten nur zu den Sanitätshäusern zu schicken, von denen die Ärzte Geld oder andere Dinge erhalten. Sicherlich gibt es schwarze Schafe, deren Fehlverhalten bestraft werden muss. Dass aber wirklich über die Hälfte der Ärzte korrupt ist, darf bezweifelt werden.
Auch gelingt den Autoren nicht der Nachweis, dass sich viele Ärzte von Pharmareferenten bestechen lassen, um die von ihnen angebotenen Medikamente zu verschreiben. In Netzwerken, in denen Ärzte ihre Erfahrungen austauschen, schreiben Ärzte mittlerweile, dass sie Pharmareferenten gar nicht mehr empfangen würden: Um den Praxisbetrieb aufrecht zu erhalten, mangele es den meisten an Zeit für ein längeres Gespräch.
Recht haben die Autoren hingegen mit ihrer Behauptung, dass Deutschland ein Hochpreisland für Arzneimittel ist. Mittlerweile leben ganze Industriezweige davon, Arzneimittel aus einem Niedrigpreisland zu reimportieren. Dies will heißen, dass das Medikament aus Deutschland in ein anderes Land transportiert wird, dort zu einem niedrigen Preis angeboten wird, von den Reimporteuren zurückgekauft und dann in Deutschland relativ günstig in den Handel kommt.
Es ist zu bedenken, dass die Überalterung der Bevölkerung erheblich zur Kostenexplosion im deutschen Gesundheitssystem beiträgt. Alte Menschen sind häufig multimorbide und benötigen mehrere Medikamente, die oftmals unerwünschte Wechselwirkungen zeigen. Selbstverständlich ist es das Beste – wie die Autoren meinen –, die Anzahl der einzunehmenden Medikamente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dennoch bleibt die Menge der einzunehmenden Arzneimittel oftmals hoch. Was tun bei einem Menschen, der an Diabetes mellitus, an Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen, an Niereninsuffizienz und anderen Erkrankungen leidet? Gefährliche Wechselwirkungen zeigen nicht nur die einzunehmenden Medikamente, sondern auch die Krankheiten, unter denen der ältere Mensch leidet. Ebenso problematisch sind die Einsparmaßnahmen bei der Pflege. Ärzte und Pflegende sind vollkommen überfordert und für ein kurzes Gespräch bleibt keine Zeit, geschweige denn für etwas Zuwendung.
Das Beste wäre, den Alterungsprozess aufzuhalten. Dafür gibt es allerdings kein Mittel. Auch Nahrungsergänzungspräparate können das Altern nicht stoppen. Und welche davon wirklich nützlich sind, ist kritisch zu überprüfen. So stellte beispielsweise der Dachverband Osteologie fest, dass alte Menschen zwar des Öfteren unter einem Mangel an Vitamin D leiden, jedoch zugleich zu viel Kalzium einnehmen – und zu viel Kalzium im Blut kann gefährlich sein.
Noch ist kein wirksames Mittel gefunden worden, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu stoppen. Ob die Krise des Gesundheitssystems "keine Frage der Mittel, sondern der falschen Verteilung ist", wie Fromm und Rickelmann, bleibt aus meiner Sicht abzuwarten.
Die Autoren stellen zum Beispiel den Nutzen von Me-too- oder Nachahmerprodukten infrage. Diese Präparate enthalten neue Wirkstoffe, die im Vergleich zu bereits existierenden Wirkstoffen nur eine leicht veränderte Molekülstruktur zeigen. Der Nutzen der Präparate ist gewiss umstritten. Während die Pharmaindustrie diese Medikamente als innovativ darstellt, sehen Ärzte und Krankenkassen ebenso wie der Arzneiverordnungs-Report diese Arzneimittel als Scheininnovation, die keinen oder nur einen geringen zusätzlichen therapeutischen Nutzen bringt und nur auf den Markt gebracht wird, um die gesetzlichen Regelungen zur Preissenkung von Arzneimitteln zu umgehen.
Wie die Autoren betonen, kritisieren Wissenschaftler, Kassenärztliche Bundesvereinigung und mehrere Kassenärztliche Landesvereinigungen seit einigen Jahren Anwendungsbeobachtungen (AWB). Nur eine sehr geringe Zahl von Anwendungsbeobachtungen sei methodisch abgesichert. Zudem beanstanden sie, dass der größte Teil der AWB gar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen ist, obwohl dies nach den Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgesehen ist. Vorgeworfen wird den Pharmaunternehmen, dass sie Anwendungsbeobachtungen lediglich als Marketing-Instrumente einsetzen, um den Absatz ihrer Medikamente zu erhöhen. Dass es allerdings auch qualitativ hochwertige Anwendungsbeobachtungen gibt, welche alle Anforderungen erfüllen, verschweigen Fromm und Rickelmann leider.
Nach Aussage der Autoren liegen Ermittlern von Krankenkassen Insideraussagen vor, wonach über 50 Prozent der Ärzte Sanitätshausbesitzer erpressen würden. Fromm und Rickelmann werfen Ärzten vor, Patienten nur zu den Sanitätshäusern zu schicken, von denen die Ärzte Geld oder andere Dinge erhalten. Sicherlich gibt es schwarze Schafe, deren Fehlverhalten bestraft werden muss. Dass aber wirklich über die Hälfte der Ärzte korrupt ist, darf bezweifelt werden.
Auch gelingt den Autoren nicht der Nachweis, dass sich viele Ärzte von Pharmareferenten bestechen lassen, um die von ihnen angebotenen Medikamente zu verschreiben. In Netzwerken, in denen Ärzte ihre Erfahrungen austauschen, schreiben Ärzte mittlerweile, dass sie Pharmareferenten gar nicht mehr empfangen würden: Um den Praxisbetrieb aufrecht zu erhalten, mangele es den meisten an Zeit für ein längeres Gespräch.
Recht haben die Autoren hingegen mit ihrer Behauptung, dass Deutschland ein Hochpreisland für Arzneimittel ist. Mittlerweile leben ganze Industriezweige davon, Arzneimittel aus einem Niedrigpreisland zu reimportieren. Dies will heißen, dass das Medikament aus Deutschland in ein anderes Land transportiert wird, dort zu einem niedrigen Preis angeboten wird, von den Reimporteuren zurückgekauft und dann in Deutschland relativ günstig in den Handel kommt.
Es ist zu bedenken, dass die Überalterung der Bevölkerung erheblich zur Kostenexplosion im deutschen Gesundheitssystem beiträgt. Alte Menschen sind häufig multimorbide und benötigen mehrere Medikamente, die oftmals unerwünschte Wechselwirkungen zeigen. Selbstverständlich ist es das Beste – wie die Autoren meinen –, die Anzahl der einzunehmenden Medikamente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dennoch bleibt die Menge der einzunehmenden Arzneimittel oftmals hoch. Was tun bei einem Menschen, der an Diabetes mellitus, an Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen, an Niereninsuffizienz und anderen Erkrankungen leidet? Gefährliche Wechselwirkungen zeigen nicht nur die einzunehmenden Medikamente, sondern auch die Krankheiten, unter denen der ältere Mensch leidet. Ebenso problematisch sind die Einsparmaßnahmen bei der Pflege. Ärzte und Pflegende sind vollkommen überfordert und für ein kurzes Gespräch bleibt keine Zeit, geschweige denn für etwas Zuwendung.
Das Beste wäre, den Alterungsprozess aufzuhalten. Dafür gibt es allerdings kein Mittel. Auch Nahrungsergänzungspräparate können das Altern nicht stoppen. Und welche davon wirklich nützlich sind, ist kritisch zu überprüfen. So stellte beispielsweise der Dachverband Osteologie fest, dass alte Menschen zwar des Öfteren unter einem Mangel an Vitamin D leiden, jedoch zugleich zu viel Kalzium einnehmen – und zu viel Kalzium im Blut kann gefährlich sein.
Noch ist kein wirksames Mittel gefunden worden, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu stoppen. Ob die Krise des Gesundheitssystems "keine Frage der Mittel, sondern der falschen Verteilung ist", wie Fromm und Rickelmann, bleibt aus meiner Sicht abzuwarten.
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