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Quantenphysik in Apfelpflücksprache

Dass die Quantenphysik der Menschheit einen Weg aus Krieg, Elend, Unrecht und Umweltzerstörung weisen kann, mag zunächst befremdlich klingen. Der renommierte Physiker Hans-Peter Dürr, Träger des Alternativen Nobelpreises, zeigt in seinem visionären Buch "Warum es ums Ganze geht" aber, dass es tatsächlich möglich ist.
Dass die Quantenphysik der Menschheit einen Weg aus Krieg, Elend, Unrecht und Umweltzerstörung weisen kann, mag zunächst befremdlich klingen. Der renommierte Physiker Hans-Peter Dürr, Träger des Alternativen Nobelpreises, zeigt in seinem visionären Buch "Warum es ums Ganze geht" aber, dass es tatsächlich möglich ist.

Bewaffnete Konflikte, Klimawandel, Wirtschaftskrisen: Es ist nicht einfach die komplexen Probleme unserer Zeit in einem nur knapp 200-seitigen Buch aufzugreifen und zu analysieren. Mindestens ebenso schwer muss es für einen ausgewiesenen Experten sein, die Quantenphysik für den Laien verständlich – quasi in "Apfelpflücksprache" wie der Autor die aufs Greif- und Sichtbare ausgerichtete menschliche Diktion nennt – zu beschreiben. Dem international renommierten Physiker Hans-Peter Dürr gelingt beides zugleich.

Dürr, der im Oktober 2009 seinen 80. Geburtstag feierte, war Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik in München und lange Jahre Mitarbeiter des Physikers und Nobelpreisträgers Werner Heisenberg, einem der Urväter der Quantenmechanik. Seit Jahrzehnten schon engagiert sich Dürr über seine Fachgrenzen hinweg für den Umweltschutz und ist aktiv in der internationalen Friedensbewegung. In seinem Buch "Warum es ums Ganze geht – Neues Denken für eine Welt im Umbruch" hat er seine vielfältigen Interessengebiete auf grandiose Art gebündelt: ein Ideenwerk für eine neue, friedliche und verantwortungsvollere Gesellschaft, das mit Erkenntnissen aus der Kernphysik hergeleitet und erläutert wird.

Das Buch ist in vier Kapitel mit jeweils zahlreichen Unterkapiteln gegliedert. Im ersten Abschnitt gibt Dürr autobiografische Informationen, beschreibt seinen Werdegang vom Kind zum Wissenschaftler und Zusammentreffen mit für ihn prägenden Personen wie Edward Teller und Hannah Arendt. Anschließend diskutiert er die gesellschaftliche Verantwortung von Wissenschaftlern am Beispiel von Atombombe und Kernkraft im Allgemeinen. Im dritten Kapitel schließlich beschreibt Dürr den durch die Quantenmechanik ausgelösten Paradigmenwechsel in der Physik: Bewegung statt Stillstand, Impuls statt starrer Materie – die Revolution eines ganzen (wissenschaftlichen) Weltbildes.

Im vierten und letzten Kapitel schließlich überträgt Dürr die revolutionären quantenmechanischen Ideen auf den Kontext der Gesellschaft. Ein radikales Umdenken sei nötig, um sich von überholten starren Lebensformen zu lösen – beispielsweise beim Konsumverhalten und dem individuellen Energieverbrauch. Das Leben muss nach Dürr als ein immer im Fluss befindliches Ganzes betrachtet werden, dem auch der Mensch nur mit innerer Beweglichkeit, Mut und in Kooperation mit anderen sowie Demut der Umwelt gegenüber begegnen sollte.

Obwohl sich der Autor gerade bei den praktischen Auswirkungen seiner Lebenstheorie um eine klare Sprache bemüht und auch verständliche Beispiele findet, sind die quantenmechanischen Passagen teils schwer zu lesen und reich an Fachvokabular. Und natürlich stellt sich grundlegend die Frage, warum man die Forderung nach Zivilcourage, Umweltschutz und mehr Gerechtigkeit mit einem physikalischen Konzept verbinden muss.

Aber genau in diesem fachübergreifenden Ansatz liegt das Besondere des Buches, es führt mit seiner eigenen Form das vor, was es propagiert: unkonventionelle Wege gehen, sich auf Neues einlassen, den Horizont erweitern. Und das ist auch ein Charakteristikum des Lebens von Hans-Peter Dürr, der sich ein Leben lang nicht nur wissenschaftlich betätigt, sondern Verantwortung übernommen und Impulse für gesellschaftliche Veränderung gegeben hat.

Dass dieses ungewöhnliche philosophisch-physikalische Buch, das so etwas wie die Quintessenz eines langen und vollen Lebens enthält, eine nahrhafte, wenn auch keine leichte Lesekost ist, weiß Dürr dabei selbst, wenn er schreibt: "Die Quantenphysik beschreibt die Natur viel besser, denn in der Quantenwelt herrscht die mehrwertige Logik, ein Dazwischen, das Unentschiedene. Daran müssen wir uns gewöhnen. Solange wir uns etwas vorstellen können, liegen wir falsch."

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