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Wasser ist Leben

"Alles fließt." Dieser Ausspruch Heraklits findet sichtbare Bestätigung beim Betreten des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg: Wasser plätschert und ein maritim dekoriertes Treppengeländer leitet den Besucher zu der kleinen, aber exzellenten Ausstellung "Wasserwelten" im zweiten Stock. Sie führt zu den Anfängen der Wasserwirtschaft bei den Hochkulturen an Euphrat, Tigris und Nil, in die antike Welt am Mittelmeer, anschließend in die ersten islamischen Städte.

Ein Teil der Ausstellung widmet sich dem Mythos Wasser, der in den Schöpfungsgeschichten der alten Kulturen eine zentrale Rolle spielte. Dazu reihen sich an den Wänden chronologisch Text- und farbige Fototafeln, unterbrochen von Leuchtkästen. Besondere Blickpunkte sind überdimensionale Fotos, etwa vom Aquädukt Pont du Gard und den Wasserrädern in Hama. Vor den bunten Bildern bleiben die rund 100, meist kleinformatigen Exponate in den Vitrinen fast unbemerkt. Sie finden entsprechende Würdigung im gleichnamigen Begleitband, der die Eindrücke der ambitionierten Schau vertieft.

Museumsdirektor Mamoun Fansa und ein Expertenteam mehrerer Disziplinen erläutern in 14 reich illustrierten Beiträgen das komplexe Thema Wasserwelt und Technik. Sie analysieren es unter historischen, kulturellen und sozial-politischen Aspekten – wissenschaftlich fundiert, aber publikumsnah. Bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. regeln im Zweistromland Keilschrifturkunden und die Gesetzesstele König Hammurabis (1792 – 1750 v. Chr.) Bau, Pflege und Verwaltung von Kanälen, Staudämmen, Schöpfanlagen und Zisternen sowie Fischerei- und Transportrechte der Flüsse. Erfahrungen jener Zeit bilden die Grundlage für alle folgenden Entwicklungen, gemäß den geologischen und meteorologischen Voraussetzungen einzelner Regionen.

So nutzten römische Ingenieure das frühe Wissen und sicherten mit monumentalen Aquädukten die Wasserversorgung des Imperiums, einschließlich luxuriöser Latrinen mit Fließwasserspülung beispielsweise in Ostia und Ephesus. Zeitgenössische arabische Stiche belegen die Rezeption und Umsetzung antiker Techniken bis ins Mittelalter. War Alexandria um die Zeitenwende das Zentrum höchster Gelehrsamkeit, wurde es um 800 n. Chr. von Bagdad abgelöst und zog alle namhaften Gelehrten für die folgenden Jahrhunderte an. Sie knüpften in ihren Arbeiten an die "Uhr des Archimedes" an, entwarfen raffinierte hydraulische Räderwerke für Handwaschautomaten, Brunnenanlagen mit zwitschernden Vögeln und Uhren für Moscheen.

Noch bis ins 19. Jahrhundert verströmten die berühmten türkischen Bäder, in die nur wenige europäische Reisende einen Blick werfen konnten, ihren orientalischen Zauber. Amüsiert liest man Briefe englischer Diplomatenfrauen ebenso wie den Bericht Helmuth von Moltkes, der 1835 als junger Hauptmann in militärischer Mission Bulgarien bereiste. Ein interessantes Kapitel gilt dem Kulturvergleich zwischen römischen Thermen und türkischen Hammams.

Der Schlussteil des Katalogs ist archäologischen Funden gewidmet. Bekanntes und Seltenes ist zu bewundern: römische Blei- und Tonröhren mit neun Ausgüssen, pinienzapfengeformte Wasserverteiler, Brunnenreliefs, magische Schalen für "heilendes" Wasser, kostbare Wasserkrüge und Eimer, türkische Badesandalen mit Perlmutteinlagen. Ägyptische Objekte faszinieren stets durch ihren Bilderreichtum, auch einfache Gebrauchsgegenstände wie Wasseruhren sind reich dekoriert und beschriftet. Dafür steht paradigmatisch der Gipsabguss der ältesten Alabasterauslaufuhr, die man in einem Grab aus den Jahren um 1400 v. Chr. fand. Das Wasserauslaufverfahren war das einfachste Prinzip der Zeitmessung ohne Sonnenschein. Die "Uhr" hat die Form eines 30 Zentimeter hohen, stumpfen Kegels, der bewirkte, dass eine bestimmte Wassermenge aus der kleinen Öffnung am Boden gleichmäßig ausfloss. Vergleichsweise bescheiden sieht daneben eine griechische, tönerne Auslaufuhr aus, eine so genannte Klepsydra. Sie wurde im klassischen Athen bei Gerichtsverhandlungen benutzt: Jeder Partei wurde die gleiche Wassermenge zugeteilt, um die Beredsamkeit zu zügeln.

Der optisch attraktiv gestaltete Ausstellungskatalog "Wasserwelten" verlockt in leuchtendem Türkis zum Blättern und überrascht den Leser mit seiner Themen- und Bildervielfalt. Ein fesselndes Werk, das sich positiv von ähnlichen Publikationen abhebt.
  • Quellen
epoc 1/2011

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