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Das Material macht’s

Beim Kauf eines Produkts geben oft Äußerlichkeiten wie die optische Gestaltung den Ausschlag. Doch sind es die inneren Eigenschaften der Werkstoffe, die einem Fabrikat seine einzigartigen Eigenschaften verleihen, wie die Autoren nachvollziehbar und laienverständlich erläutern. Hoch- und höchstfeste Stähle in der Karosserie eines PKW etwa senken das Gewicht und erhöhen zugleich die Sicherheit. Und gibt man bei der Herstellung von Beton neben Sand, Kalk, Zement auch "Porenbildner" zu, die Gase freisetzen und damit Bläschen in der Masse entstehen lassen, finden sich nach dem Abbinden geschlossene Hohlräume im Beton. Dieser Porenbeton ist leicht, druckfest und einfach zu verarbeiten.

Der Untergang der Titanic, der Absturz der Raumfähre Challenger oder das ICE-Unglück bei Eschede wären laut dem Buch wahrscheinlich nicht passiert, hätte man geeignete Werkstoffe gewählt. So bestand der Schiffsrumpf der Titanic aus einer Stahllegierung mit hohem Mangan-zu-Schwefel-Verhältnis. Zahlreiche Mangan-Sulfid-Einschlüsse setzten die Zähigkeit herab, sodass es beim Zusammenstoß mit dem Eisberg zu fortschreitender Rissbildung und damit zum Untergang des Schiffs kam. Bei der Raumfähre Challenger wiederum hatte die Dichtung der linken Feststoffrakete versagt. Sie bestand aus elastisch verformbarem Kunststoff, der bei den niedrigen Außentemperaturen spröde geworden war. Bei Eschede schließlich brach ein gummigefederter Radreifen am hinteren Drehgestell des ersten Wagens bei einer Geschwindigkeit von 195 Kilometern pro Stunde. Im Gegensatz zu Vollrädern, die komplett aus Stahl bestehen, war seine innere stählerne Scheibe vom äußeren stählernen Radreifen durch eine 20 Millimeter breite Gummieinlage getrennt, um Stöße abzufangen. Wie das Unglück jedoch auf tragische Weise deutlich machte, ist dieses System bei Hochgeschwindigkeitszügen gegenwärtig nicht zuverlässig genug – der Grund, warum die ICE-Züge anschließend auf Vollräder umgerüstet wurden.

Die Autoren geben einen verständlichen Überblick über Strukturen und Eigenschaften klassischer Werkstoffgruppen wie Metalle, Keramik, Glas und Polymere sowie neuer Werkstoffgruppen. Verbundwerkstoffe beispielsweise bestehen aus zwei oder mehreren Materialien – ein natürlicher Verbundstoff ist Holz, das aus Zellulose und Lignin besteht. Ein Material, das einerseits fest und zäh, andererseits aber auch elastisch ist, sich gut bearbeiten lässt und daher bis heute vielfältig genutzt wird. Auch auf Halbleiter und Smart Materials geht das Buch ein.

Die größten Herausforderungen für die Materialwissenschaft und Werkstoffkunde liegen derzeit im Bereich der Energie, wie die Autoren erläutern. Windenergieanlagen seien hoch beansprucht. Heute würden bis zu 75 Meter lange Flügel eingesetzt. Glasfaserverstärkter Kunststoff ("Fiberglas") mit spezieller Beschichtung verleihe diesen Flügeln ihre Robustheit; sie hielten sogar orkanartige Winde aus.

Allerdings seien "Werkstoffe keine Wunderstoffe", so das Fazit des Buchs. Eine absolute Sicherheit werde es nie geben, durch Qualitätssicherung und Weiterentwicklung ließen sich aber die Risiken vermindern. Forschungsförderung, aber auch öffentliche Diskussionen über Chancen und Risiken trügen zu einer effizienten, ergiebigen Werkstoffentwicklung bei. Das Buch ist ein Schritt in diese Richtung. Es verschafft auch Menschen, die sich bisher noch nie mit Materialkunde befasst haben, einen grundlegenden Einblick in die Materie, und macht ihnen die Bedeutung von Werkstoffen bewusst. Gerade Laien ist das Buch daher wärmstens zu empfehlen.

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