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Der innere Kompass

Bereits in seinem letzten Sachbuch-Bestseller hatte Bas Kast eine irrationale Großmacht thematisiert: die Liebe. In seinem neuen Werk spielen nun ähnlich schillernde Kräfte die Hauptrolle: Emotion, Intuition und das Unbewusste. Rückendeckung holt sich der Autor von Wissenschaftlern, die mit ihren Arbeiten auf ein erweitertes Menschenbild hinweisen: Sie setzen dem auf die Ratio reduzierten Homo faber einen ganzheitlichen Menschen entgegen, der unter dem Kopf auch noch einen Bauch hat.

Als Rahmengeschichten dienen dem Psychologen Kast seine Recherchereisen in internationale Forschungslabore. So beschreibt er, wie er in Sydney durch transkraniale Magnetstimulation (TMS) in einen quasi autistischen Zustand versetzt wird. Mit solchen Methoden untersuchen Forscher die Natur der geistigen Leistungskraft und gehen der Hypothese nach, dass bei jedermann ein verborgenes Genie erwacht, wenn bestimmte Gehirnfunktionen ausgeschaltet werden.

Um zu erklären, weshalb die Vernunft in unseren Breitengraden einen so hohen Stellenwert genießt, streift der Autor zunächst anekdotenhaft bedeutende Denker von der Antike bis zur Neuzeit. Die Macht der Ratio, so Kast, ist unmittelbar an die Sprache gekoppelt, und gemeinsam bildeten sie über Jahrhunderte eine Allianz gegen alles "Unvernünftige" wie Intuition und Emotion.

Erst das amerikanische Forscherpaar Hanna und Antonio Damasio leitete die emotionale Wende ein: Am Fall des Patienten "Elliot" konnten die Wissenschaftler deutlich machen, dass Vernunft nicht genügt, um im Alltag klarzukommen. Trotz seiner hohen Intelligenz verliert Elliot Job und Frau – fehlt ihm doch infolge einer Operation der innere emotionale Kompass im Frontalhirn. Patienten, die keinen Schmerz oder Ekel empfinden können, belegen ebenfalls die lebensnotwendige Rolle von Emotionen.

Ein Experiment aus dem Labor der Damasios zeigt eindrucksvoll, wie uns Intuitionen unbewusst leiten: Ohne dass die Versuchsleiter es den Probanden vorher mitteilten, ließen sie auf das Ziehen einer roten Karte aus einem Kartenspiel stets einen Geldverlust folgen. Nach einigen Durchgängen erkannten die Testpersonen intuitiv die Bedeutung der Karte, wie man an der nervositätsbedingt ansteigenden Hautleitfähigkeit ablesen konnte. Doch zu diesem Zeitpunkt waren sie sich dessen noch nicht bewusst: Ihr Verstand erfasste den Zusammenhang erst später.

Als Kontrollgruppe dienten Patienten wie Elliot. Auch sie durchschauten irgendwann das Spiel, griffen aber munter weiter zu den verhängnisvollen roten Karten. Der Verstand scheint also ohne das Gefühl geradezu hilflos.

Die Vor- und Nachteile von Bauchgefühl und Kopfentscheidungen liegen laut Kast auf der Hand. Unser Verstand kann nur sehr begrenzt Informationen verarbeiten – tut dies aber präzise. Die Intuition hingegen bewältigt auch große Datenmengen, ist jedoch leicht manipulierbar.

In bewährter Manier kombiniert Kast Sachbuch und Erlebnisbericht. Er beschreibt interessante Studien, Tests sowie Fallgeschichten und liefert dazu erste Schlussfolgerungen. Das Buch bietet somit einen einfachen Einstieg in die Intuitionsforschung und entspricht ganz dem Forschungstrend, sich mit den unbewussten Anteilen unseres Denkens zu beschäftigen.
  • Quellen
Gehirn & Geist 10/2007

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