Wann ist ein Unterschied noch graduell?
Seit Thomas Huxley (1825-1895), auch bekannt als "Darwins Bulldogge", 1863 seinen Klassiker über die gemeinsame Abstammung von Mensch und Menschenaffe veröffentlichte, haben immer wieder Wissenschaftler im Licht von Evolutionstheorien darüber nachgedacht, was den Menschen vor allen anderen Tieren auszeichne. Nach seinen populären Ausflügen in die Philosophie und die Psychologie widmet sich nun auch der Bremer Professor Gerhard Roth auf seinem eigentlichen Fachgebiet, der Biologie, dieser Frage.
Das Buch umfasst ein breites Spektrum an Themen der theoretischen Biologie. Grundsatzfragen, beispielsweise was Evolution, Leben oder Intelligenz ist, diskutiert Roth sinnvollerweise gleich am Anfang. Daran schließen sich Kapitel über die Evolution des Lebens auf der Erde an. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf den Nervensystemen und, im Zusammenhang damit, den geistigen Fähigkeiten ihrer Inhaber. Diese Anordnung führt logisch zu den eher philosophischen Schlusskapiteln zur angeblichen Einzigartigkeit des Menschen und zum Verhältnis zwischen Geist und Gehirn. Zahlreiche Abbildungen sowie Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels helfen dem Leser, trotz des anspruchsvollen Themas nicht den Faden zu verlieren.
Roth hat das Buch in einem klaren und wissenschaftlichen Stil geschrieben. Die Ergebnisse zur Intelligenz von Affen und anderen Säugetieren, von Vögeln, Fischen und Mollusken werden viele Leser faszinieren. Der Autor geht schwierigen Problemen nicht aus dem Weg und berücksichtigt auch bisher ungelöste Forschungsfragen. Die ausführlichen Erklärungen biologischer Taxonomien haben manchmal Lehrbuchcharakter. Biologische Grundkenntnisse oder ein großes Interesse am Fach helfen, beim Lesen dieser Abschnitte durchzuhalten.
Aller Sorgfalt in der Theorie zum Trotz hat das Buch seine Schwächen. So hätte im Anschluss an die vom Autor formulierte funktionale Definition des Lebens ein Ausflug in die Synthetische Biologie gepasst. Inwiefern lassen sich Roths Ideen auf die in jüngster Zeit vielfach prophezeiten künstlichen Lebewesen übertragen?
Beim zentralen Thema des Buchs, der Intelligenz, vergleicht Roth zwar Menschen und Tiere, künstliches Bewusstsein und künstliche Intelligenz kommen aber nur ganz am Rand vor. Gerade von Roth erwartet man hier eine Brücke, da sich die Frage der Einzigartigkeit des Menschen natürlich auch mit Blick auf dessen Artefakte wiederholt.
Das Hauptproblem des Buchs betrifft nun gerade die Titelfrage. Gerhard Roth lässt keinen Zweifel daran, dass sich Mensch und Tier für ihn nur graduell, nicht aber prinzipiell unterscheiden. Der Mensch sei nicht einzigartig, denn jede seiner Fähigkeiten komme zumindest in einer Vorstufe auch bei Tieren vor. Eine konsequente Anwendung dieses Arguments setzt jedoch eine klare Definition von "Vorstufe" voraus. Zählen komplexe Termitenhügel als Vorstufen von Kathedralen? Ist der Vogelflug eine Vorstufe der modernen Luft- und Raumfahrttechnik?
Im Übrigen sprechen Primatologen und Anthropologen wie Bernard Chapais dank neuester Forschung zu Familienverhältnissen durchaus von der einzigartigen Sozialstruktur des Menschen (Science 331, S. 1276, 2011); und auch den sekundären Werkzeuggebrauch, das heißt das Anfertigen von Werkzeugen mit Werkzeugen, scheinen Schimpansen nur unter Anleitung von Menschen zu bewerkstelligen.
Seine letzte große Chance lässt Roth ungenutzt verstreichen, wo er die kognitiven Fähigkeiten unserer nächsten Verwandten im Tierreich, der Menschenaffen, zusammenfasst. Deren geistige Leistungsfähigkeit entspreche in den meisten Bereichen dem Entwicklungsstand eines zweieinhalb- bis fünfjährigen Kindes. Die Titelfrage seines Buchs führe daher "überraschenderweise zu der Frage, ob ein Jugendlicher oder ein Erwachsener einem drei- bis fünfjährigen Kind auf kognitiv-geistiger Ebene quantitativ oder qualitativ überlegen ist". Eine genaue Antwort bleibt der Autor wie schon zuvor schuldig – und lässt den Leser mit dem Problem zurück, wo prinzipiell die Grenzlinie zwischen quantitativen und qualitativen Unterschieden verläuft.
Die Stärken des Buchs liegen in der anschaulichen und umfassenden Erklärung der kognitiven Evolution von Lebewesen. Dabei geht der Autor auch theoretische Probleme an und setzt diese sinnvoll zur biologischen Forschung in Bezug. Der große anthropologische und philosophische Wurf ist Roth jedoch nicht gelungen. Seine Meinung zur Titelfrage ist zwar überdeutlich formuliert, für den unvoreingenommenen Leser aber nicht vollständig nachvollziehbar.
Das Buch umfasst ein breites Spektrum an Themen der theoretischen Biologie. Grundsatzfragen, beispielsweise was Evolution, Leben oder Intelligenz ist, diskutiert Roth sinnvollerweise gleich am Anfang. Daran schließen sich Kapitel über die Evolution des Lebens auf der Erde an. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf den Nervensystemen und, im Zusammenhang damit, den geistigen Fähigkeiten ihrer Inhaber. Diese Anordnung führt logisch zu den eher philosophischen Schlusskapiteln zur angeblichen Einzigartigkeit des Menschen und zum Verhältnis zwischen Geist und Gehirn. Zahlreiche Abbildungen sowie Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels helfen dem Leser, trotz des anspruchsvollen Themas nicht den Faden zu verlieren.
Roth hat das Buch in einem klaren und wissenschaftlichen Stil geschrieben. Die Ergebnisse zur Intelligenz von Affen und anderen Säugetieren, von Vögeln, Fischen und Mollusken werden viele Leser faszinieren. Der Autor geht schwierigen Problemen nicht aus dem Weg und berücksichtigt auch bisher ungelöste Forschungsfragen. Die ausführlichen Erklärungen biologischer Taxonomien haben manchmal Lehrbuchcharakter. Biologische Grundkenntnisse oder ein großes Interesse am Fach helfen, beim Lesen dieser Abschnitte durchzuhalten.
Aller Sorgfalt in der Theorie zum Trotz hat das Buch seine Schwächen. So hätte im Anschluss an die vom Autor formulierte funktionale Definition des Lebens ein Ausflug in die Synthetische Biologie gepasst. Inwiefern lassen sich Roths Ideen auf die in jüngster Zeit vielfach prophezeiten künstlichen Lebewesen übertragen?
Beim zentralen Thema des Buchs, der Intelligenz, vergleicht Roth zwar Menschen und Tiere, künstliches Bewusstsein und künstliche Intelligenz kommen aber nur ganz am Rand vor. Gerade von Roth erwartet man hier eine Brücke, da sich die Frage der Einzigartigkeit des Menschen natürlich auch mit Blick auf dessen Artefakte wiederholt.
Das Hauptproblem des Buchs betrifft nun gerade die Titelfrage. Gerhard Roth lässt keinen Zweifel daran, dass sich Mensch und Tier für ihn nur graduell, nicht aber prinzipiell unterscheiden. Der Mensch sei nicht einzigartig, denn jede seiner Fähigkeiten komme zumindest in einer Vorstufe auch bei Tieren vor. Eine konsequente Anwendung dieses Arguments setzt jedoch eine klare Definition von "Vorstufe" voraus. Zählen komplexe Termitenhügel als Vorstufen von Kathedralen? Ist der Vogelflug eine Vorstufe der modernen Luft- und Raumfahrttechnik?
Im Übrigen sprechen Primatologen und Anthropologen wie Bernard Chapais dank neuester Forschung zu Familienverhältnissen durchaus von der einzigartigen Sozialstruktur des Menschen (Science 331, S. 1276, 2011); und auch den sekundären Werkzeuggebrauch, das heißt das Anfertigen von Werkzeugen mit Werkzeugen, scheinen Schimpansen nur unter Anleitung von Menschen zu bewerkstelligen.
Seine letzte große Chance lässt Roth ungenutzt verstreichen, wo er die kognitiven Fähigkeiten unserer nächsten Verwandten im Tierreich, der Menschenaffen, zusammenfasst. Deren geistige Leistungsfähigkeit entspreche in den meisten Bereichen dem Entwicklungsstand eines zweieinhalb- bis fünfjährigen Kindes. Die Titelfrage seines Buchs führe daher "überraschenderweise zu der Frage, ob ein Jugendlicher oder ein Erwachsener einem drei- bis fünfjährigen Kind auf kognitiv-geistiger Ebene quantitativ oder qualitativ überlegen ist". Eine genaue Antwort bleibt der Autor wie schon zuvor schuldig – und lässt den Leser mit dem Problem zurück, wo prinzipiell die Grenzlinie zwischen quantitativen und qualitativen Unterschieden verläuft.
Die Stärken des Buchs liegen in der anschaulichen und umfassenden Erklärung der kognitiven Evolution von Lebewesen. Dabei geht der Autor auch theoretische Probleme an und setzt diese sinnvoll zur biologischen Forschung in Bezug. Der große anthropologische und philosophische Wurf ist Roth jedoch nicht gelungen. Seine Meinung zur Titelfrage ist zwar überdeutlich formuliert, für den unvoreingenommenen Leser aber nicht vollständig nachvollziehbar.
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