Freier Lauf
Mal ist es die Pubertierende, die mit ihrer Freundin eine Klassenkameradin mobbt, mal ein Fünfjähriger, der über sein Brüderchen herfällt oder auf die Mama eindrischt – Wut und Aggression sind weit verbreitet unter Kindern. Doch Eltern fragen sich: Wie viel Gefühlsausbruch tut gut, und was ist normal? Täuscht die allgemeine Wahrnehmung, dass der Umgang mit den Kids immer schwieriger wird?
In seinem neuen Buch schildert der populäre Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge anhand einer Fülle von Fallgeschichten die vielen Gesichter, die kindliche Aggression haben kann. Sein erheiternder historischer Rückgriff zeigt, dass man schon in der Antike die Jugend der Rücksichtslosigkeit und Frühreife bezichtigte und bereits 1789 den schlechten Einfluss der Medien – sprich Bücher – auf Heranwachsende diskutierte. Rogge zeigt auf, dass Gewalttaten von Jugendlichen auf einen komplexeren Hintergrund zurückgehen als auf die simple Formel "brutale Filme und Computerspiele = aggressive Taten im Alltag".
Folgerichtig wirft der Autor lieber die Frage auf, was hinter den Gefühlen der Kinder steckt und wie man ihnen begegnen kann. Er plädiert für einen bewussten Umgang mit Wut und Zorn – und dafür, beides nicht nur negativ zu belegen. Oberste Priorität habe es, auch konstruktive Anteile zu erkennen und zu fördern. "Aggressionserziehung ist eine lebenslange Aufgabe, denn diese Gefühle gehören zum Leben dazu", erklärt er. Den janusköpfigen Charakter kindlicher Wut sollten Eltern wie Lehrer im Blick haben und mit ihren Sprösslingen den richtigen Umgang mit Emotionen üben – statt sie ihnen zu rauben. Für den Erziehungsberater verlieren Erwachsene dagegen das Phänomen Autoaggression, also etwa Essstörungen und Selbstverstümmelung, oft aus den Augen.
Fakt bleibt: Rogges Grundannahme, dass Aggressionen stets ein versteckter Schrei nach mehr Aufmerksamkeit sind, mutet nicht überzeugend an. Immerhin spürt man die Absicht des Autors, Verständnis für kindliche Gefühle zu entwickeln – sie aber gleichzeitig auch in die richtigen Schranken zu weisen: "Bei allem Verständnis muss ich dem Kind Wege weisen, dass es seine Aggressionen in Form von Ritualen und Regeln so auslebt, dass weder Menschen noch Dinge zu Schaden kommen." Wie in früheren Publikationen geht es ihm darum, Aggressionen zu regeln, zu ritualisieren. So sollten sich kleine Kraftpakete etwa in einer "Wutecke" abreagieren oder sich mit den Eltern Kissenschlachten liefern.
Ein Kritikpunkt an diesem Buch ist die auffällig hohe Zahl intakter Familien in seinen Fallgeschichten. Tatsächlich scheint das Buch nicht an sozialen Brennpunkten recherchiert zu sein. Es spiegelt dementsprechend eine bürgerliche Realität wider, der mit ganz anderen Rezepten begegnet werden kann als in schwierigen gesellschaftlichen Kontexten. Trotz dieser Einschränkung ist "Wut tut gut" ein lesenswertes Buch. Es formuliert klar, dass jeder Charakter und jede Situation ein eigenes (Erziehungs-)Verhalten erfordern.
In seinem neuen Buch schildert der populäre Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge anhand einer Fülle von Fallgeschichten die vielen Gesichter, die kindliche Aggression haben kann. Sein erheiternder historischer Rückgriff zeigt, dass man schon in der Antike die Jugend der Rücksichtslosigkeit und Frühreife bezichtigte und bereits 1789 den schlechten Einfluss der Medien – sprich Bücher – auf Heranwachsende diskutierte. Rogge zeigt auf, dass Gewalttaten von Jugendlichen auf einen komplexeren Hintergrund zurückgehen als auf die simple Formel "brutale Filme und Computerspiele = aggressive Taten im Alltag".
Folgerichtig wirft der Autor lieber die Frage auf, was hinter den Gefühlen der Kinder steckt und wie man ihnen begegnen kann. Er plädiert für einen bewussten Umgang mit Wut und Zorn – und dafür, beides nicht nur negativ zu belegen. Oberste Priorität habe es, auch konstruktive Anteile zu erkennen und zu fördern. "Aggressionserziehung ist eine lebenslange Aufgabe, denn diese Gefühle gehören zum Leben dazu", erklärt er. Den janusköpfigen Charakter kindlicher Wut sollten Eltern wie Lehrer im Blick haben und mit ihren Sprösslingen den richtigen Umgang mit Emotionen üben – statt sie ihnen zu rauben. Für den Erziehungsberater verlieren Erwachsene dagegen das Phänomen Autoaggression, also etwa Essstörungen und Selbstverstümmelung, oft aus den Augen.
Fakt bleibt: Rogges Grundannahme, dass Aggressionen stets ein versteckter Schrei nach mehr Aufmerksamkeit sind, mutet nicht überzeugend an. Immerhin spürt man die Absicht des Autors, Verständnis für kindliche Gefühle zu entwickeln – sie aber gleichzeitig auch in die richtigen Schranken zu weisen: "Bei allem Verständnis muss ich dem Kind Wege weisen, dass es seine Aggressionen in Form von Ritualen und Regeln so auslebt, dass weder Menschen noch Dinge zu Schaden kommen." Wie in früheren Publikationen geht es ihm darum, Aggressionen zu regeln, zu ritualisieren. So sollten sich kleine Kraftpakete etwa in einer "Wutecke" abreagieren oder sich mit den Eltern Kissenschlachten liefern.
Ein Kritikpunkt an diesem Buch ist die auffällig hohe Zahl intakter Familien in seinen Fallgeschichten. Tatsächlich scheint das Buch nicht an sozialen Brennpunkten recherchiert zu sein. Es spiegelt dementsprechend eine bürgerliche Realität wider, der mit ganz anderen Rezepten begegnet werden kann als in schwierigen gesellschaftlichen Kontexten. Trotz dieser Einschränkung ist "Wut tut gut" ein lesenswertes Buch. Es formuliert klar, dass jeder Charakter und jede Situation ein eigenes (Erziehungs-)Verhalten erfordern.
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