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Weißt du, wo die Sterne stehen?

Würde man eine Umfrage unter Bekannten starten, welche Sternbilder sie kennen, welche Antworten bekäme man dann wohl? Orion vielleicht, oder Kassiopeia, sicherlich den Großen Wagen. Obwohl, der ist eigentlich gar kein Sternbild, sondern Teil des Großen Bären. Aber wer könnte nachts am Himmel das Sternbild Jungfrau finden oder die große Wasserschlange? Natürlich muss niemand alle 88 Sternbilder auswendig herunterrattern können, aber ein wenig schade ist es doch, dass die Orientierung am Nachthimmel den meisten Menschen sehr schwer fällt, wenn nicht gar unmöglich für sie ist.

Das dachte sich wohl auch der Kinderbuchautor und Illustrator Hans Augusto Rey – und veröffentlichte im Jahr 1952 sein Buch "The Stars: A New Way to See Them", in dem er die Sternbilder auf neue und vor allem einprägsame Weise darstellt. Rey kritisierte, dass die Sternbilder meist so gezeigt werden, dass sie sich kein Mensch, vor allem kein Kind, merken kann, mit Linien, deren Resultate überhaupt nicht wie eine Jungfrau, ein Löwe oder ein Schlangenträger aussehen. Er machte sich also daran, die Linien zwischen den Sternen neu einzuzeichnen und auf diese Weise anschauliche Figuren darzustellen, die der Leser anschließend leicht am Himmel wiedererkennen kann. Die Zwillinge werden so zu Händchen haltenden Strichmännchen, der Schütze spannt wirklich einen Bogen und der Walfisch ist ein lächelnder Meeresbewohner, inklusive Auge. Kein Wunder also, dass seinerzeit Albert Einstein höchstpersönlich ein Klappenzitat beisteuerte: "Ein höchst erhellendes Buch!"

Rey stellt alle Sternbilder zunächst einzeln vor und gibt Hinweise, anhand welcher Anhaltspunkte diese am Himmel zu identifizieren sind. Der Stil ist dabei locker gehalten und richtet sich an Kinder und Jugendliche. So schreibt Rey über das Sternbild Herkules: "Groß, aber ziemlich dunkel und daher nicht ganz leicht auszumachen. Sieht aus wie ein Mann, der eine Keule schwingt, was Herkules ja bekanntermaßen häufig und gern betrieben hat." Es folgt ein Abschnitt über das Sternenjahr, also wie sich wann und wo die jeweiligen Konstellationen beobachten lassen. Dabei wurde als Referenzstandort der 50. Breitengrad Nord gewählt, was in Deutschland ungefähr auf der Höhe von Frankfurt am Main liegt.

Die Kalenderblätter sind doppelseitig angelegt: Während auf der rechten Seite die Sternbilder mit Hilfslinien gezeigt sind, präsentiert sich auf der linken Seite der gezeichnete, bloße Sternenhimmel, so wie ihn der Beobachter des Nachts sehen würde. Im letzten Teil schließlich behandelt Rey einige "Wies und Warums" für diejenigen, die es genauer wissen wollen. Die Himmelsmechanik wird hier Schritt für Schritt anhand einer Himmelskugel aufgebaut. Deklination und Rektaszension werden erläutert, ebenso wie die Ekliptik, der Sternentag oder die allgemeine Präzession. Dabei verliert sich der Autor nie in technischen Details, sondern gestaltet den Einstieg in die Materie so leicht wie möglich. Ergänzt wird der Band durch einen Planetenkalender bis zum Jahr 2019, einer Liste der 21 hellsten Sterne sowie einer Karte der Planetarien in Deutschland.

Obwohl ursprünglich vor 60 Jahren erschienen, ist das Buch kein bisschen altmodisch. Das liegt vor allem am lebendigen Stil des Autors. Ich hätte es in einer sternklaren Nacht lesen sollen, denn so war ich enttäuscht, dass ich das eben Gelesene nicht sofort in eine erste Beobachtung umsetzen konnte. Natürlich tragen auch die Zeichnungen und Sternkarten ihren Teil dazu bei: So einprägsam habe ich die Sternbilder selten gesehen. Das Buch erschien auf Deutsch erstmals 2009 im Arche-Verlag und wurde für diese Ausgabe entsprechend aktualisiert. So wird beispielsweise Pluto nicht mehr als Planet aufgeführt. Die nun im Kosmos- Verlag neu erschienene Lizenzausgabe unterscheidet sich durch ihren Softcover-Einband und den günstigeren Preis von ihrem Vorgänger.

Es sollte eines jener Bücher werden, die im Regal griffbereit stehen zum Durchlesen, Blättern oder als Nachschlagewerk. Für Kinder und Jugendliche ist es als Einführungswerk in die Astronomie sehr gut geeignet, schließlich braucht man für erste Beobachtungen nicht mehr als seine Augen und einen klaren Himmel. Selbst wer kein Interesse an der Amateurastronomie hat, wird sich wohl über das Aha-Erlebnis freuen, des Nachts das eine oder andere Sternbild zu erkennen – seien es nun die Zwillinge, der Stier oder der Große Bär.

  • Quellen
Sterne und Weltraum 1/2013

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