Theoretische Physik: Alles schwingt: Quantenfelder sind die Grundlage unserer Welt
Das Thema hat es in sich. Nicht nur mathematisch, sondern vor allem auch konzeptionell zählen Quantenfeldtheorien zu den anspruchsvollsten Gebieten der heutigen Physik. Die meisten Menschen haben noch nie von ihnen gehört, kennen aber vielleicht diejenigen Theoriegebäude, aus denen sie hervorgingen. Einerseits Albert Einsteins spezielle Relativitätstheorie, die Raum und Zeit beschreibt, und andererseits die Theorie der Quanten, die das Verhalten von subatomaren Teilchen mathematisch fasst.
Quantenfeldtheorien entstanden aus dem Versuch, spezielle Relativitätstheorie und Quantenmechanik miteinander in Einklang zu bringen. Und als wäre das nicht kompliziert genug, versuchen sie sich auch noch an einer Antwort auf die uralte philosophische Frage, was das Nichts ist, das »reine Vakuum«.
Über dieses Thema, über das dicke Bücher geschrieben werden, kann ein Video naturgemäß nur einen sehr oberflächlichen Überblick bieten. Der aber gelingt dem US-Physiker Nick Lucid: Der geschickt illustrierte Clip auf seinem YouTube-Kanal »Science Asylum« erweist sich als weitgehend sehenswert und korrekt. Schade nur, dass er unnötig viele Themen anschneidet und den Zuschauer mit der Frage alleinlässt, wie diese denn alle miteinander zusammenhängen.
Dazu lässt sich allerhand sagen. Die Quantenfeldtheorie beschreibt Kraftfelder zwischen Quanten. Diese Felder haben weit reichende Bedeutung: Alle heute bekannten Elementarteilchen, aus denen sämtliche Materie im Universum besteht, lassen sich als energetisch angeregte, also in Schwingungen versetzte Quantenfelder darstellen, die miteinander wechselwirken. Die Quantenfeldtheorien liefern das mathematische Werkzeug, um zu erklären, wie stark und mit welchen Wahrscheinlichkeiten die verschiedenen Materieteilchen und physikalischen Felder aufeinander einwirken.
Eine andere, unerwartete Eigenschaft der Natur beschreiben sie ebenfalls, nämlich den Umstand, dass ein vermeintliches Vakuum gar nicht so leer ist, wie man vermuten würde. Den Quantenfeldtheorien zufolge ist selbst das perfekte physikalische Vakuum viel mehr als ein reines Nichts. Auch wenn die genaue Bedeutung dieser – mittlerweile durch Messungen belegten – Erkenntnis von Teilchenphysikern und Wissenschaftsphilosophen immer noch diskutiert wird, eines ist klar: Das Vakuum kennt keine völlige Ruhe. An jedem Punkt des Universums treten unvermeidbar Quantenfluktuationen auf, so genannte virtuelle Teilchen, die aus dem Nichts entstehen und binnen kürzester Zeit wieder verschwinden.
Die Erfolge der Quantenfeldtheorien sind beachtlich. Wechselwirkungen und Umwandlungen zwischen Elementarteilchen können sie mit einer teilweise geradezu unglaublichen Präzision von mehr als zehn Nachkommastellen vorhersagen. Jede von ihnen widmet sich einer der Grundkräfte der Natur: dem Elektromagnetismus, der schwachen Kernkraft und der starken Kernkraft. Nur die Gravitation spielt eine Sonderrolle, da sie sich nicht wie die anderen Naturkräfte quantenfeldtheoretisch darstellen lässt.
Die so genannte Quantenelektrodynamik, also die Quantenfeldtheorie der elektromagnetischen Felder, beschreibt die Wechselwirkung von Materie mit Licht und anderen elektromagnetischen Wellen. Eine weitere Quantenfeldtheorie beschreibt die schwache Wechselwirkung oder auch schwache Kernkraft, mit der Radioaktivität und ähnliche Prozesse zusammenhängen.
Physiker stellten zudem fest, dass die Theorie der schwachen Wechselwirkung sich mit der Theorie der elektromagnetischen Felder vereinen ließ – und gelangten so zu einer neuen Quantenfeldtheorie, die diese Kombination als elektroschwache Kraft beschreibt.
Und schließlich haben Forscher auch die Quantenchromodynamik entwickelt. Sie beschreibt und erklärt die starke Wechselwirkung, die die Bestandteile der Atomkerne miteinander verbindet.
Nur zur vierten physikalischen Grundkraft, der Gravitation, gibt es bis heute keine Quantenfeldtheorie. Auf großen Skalen spielt das zwar keine Rolle. Dort wird diese Kraft von der einsteinschen Relativitätstheorie sehr genau beschrieben. Aber auf kleinen Skalen, auf der Ebene der Quanten, hat sie nichts zu bieten. Meist stört das auch nicht. Die Gravitation zwischen Elementarteilchen ist im Vergleich zu den anderen Kräften, die zwischen ihnen wirken, extrem schwach und daher für Elementarteilchenphysiker praktisch vernachlässigbar. Aber sowohl im Fall Schwarzer Löcher als auch in der Frühzeit des Universums muss die Gravitation auch auf Quantenebene eine wichtige Rolle gespielt haben – und deswegen hoffen die Forscher weiterhin auf eine passende Gravitations-Quantenfeldtheorie.
Ansätze dazu gibt es: Heiß diskutiert werden etwa die Stringtheorie oder die Quantenschleifengravitation. Trotz jahrelanger Arbeit an ihnen können sie aber noch keine konkreten Vorhersagen liefern. Parallel dazu treiben auch die vielen Fragen zur Dunklen Materie die Forscher an. Möglicherweise könnte man die bekannten Quantenfeldtheorien erweitern, um dieser bislang völlig unverstandenen Materieform auf die Schliche zu kommen.
Eins steht jedenfalls fest: Diese Geschichte der Quantenfeldtheorien ist noch lange nicht am Ende. Physiker prüfen derzeit sogar, ob eine fünfte oder gar noch mehr Grundkräfte helfen könnten, neue Antworten zu finden.
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