Weltformel: An den Grenzen des Verstehens
Was geschieht, wenn man in immer kleinere Dimensionen vorstößt? Brechen die heutigen physikalischen Theorien von Raum und Zeit im unvorstellbar Kleinsten zusammen? Werden – wie beim Versuch, den Urknall zu verstehen – unsere Konzepte von Raum und Zeit selbst fragwürdig? Dieses Video von Hyperraum TV, einem von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebenen Spartensender für Wissenschaft und Technologie, will diesen Fragen auf den Grund gehen.
Es hinterlässt jedoch einen sehr zwiespältigen Eindruck. Zwar ist das ehrliche Bemühen der Produzenten spürbar, gleich mehrere dieser schwierigen Themen aufzugreifen und – ungewöhnlich ambitioniert – selbst große Zusammenhänge zu erklären. Auch handwerklich ist das Video hervorragend gemacht. Die Illustrationen und Animationen passen gut zu den ruhig geführten Interviews mit den Wissenschaftlern.
Inhaltlich sind allerdings bei fast allen angesprochenen Punkten deutliche Mängel zu erkennen, die jeden besser Informierten irritieren werden. So würden Physiker weder vom "Wellencharakter der Gravitation" sprechen, wenn sie ausdrücken möchten, dass sich die Gravitationskraft auch in Form von Gravitationswellen ausbreiten kann. Noch ist das Michelson-Morley-Experiment ein Beleg für die Konstanz der Geschwindigkeit des Sonnenlichts, sondern für Licht und elektromagnetische Strahlung allgemein.
Und wenn Nathan Seiberg von der Princeton University im Film davon spricht, die Raumzeit der heutigen Theorien sei wahrscheinlich nur eine grobe Darstellung bislang unbekannter kleinerer Strukturen, um anschließend dennoch anzumerken: "I think it is real" – dann sollte man dies nicht mit "Die Raumzeit ist wahr", sondern mit "... wirklich" übersetzen. Naturwissenschaftler und Wissenschaftsphilosophen arbeiten sich an der Realität ab. Die Wahrheit überlassen sie den Juristen und Theologen.
Es ist auch falsch, dass sich Atomkerne erst 300 000 Jahre nach dem Urknall gebildet haben sollen. Die leichtesten Atomkerne entstanden schon wenige Sekunden nach dem Urknall. Allerdings war es damals noch zu heiß, als dass sie dauerhaft Elektronen an sich hätten binden können; das geschah tatsächlich erst zu dem genannten Zeitpunkt. Schwarze Löcher haben laut Stephen Hawking auch keine Temperatur im Inneren, sondern an ihrer Oberfläche, dem so genannten Ereignishorizont.
Mehr als gewagt sind zudem einige rasche Themensprünge, etwa vom Quantencomputer zu stringtheoretischen Spekulationen bis hin zur Bewahrung von Quanteninformationen bei Schwarzen Löchern. Jeden Laien überfordern sie hoffnungslos, während Experten sich über den sehr laxen Umgang mit solch anspruchsvollen Konzepten wundern dürften.
Bleibt zu hoffen, dass künftige Videos mit so löblichem Anspruch eine sehr viel bessere inhaltliche Begleitung erfahren.
Schreiben Sie uns!
1 Beitrag anzeigen