Weiße Löcher: Kann es Weiße Löcher geben?
2006 registrierte das Weltraum-Teleskop Swift einen extrem heftigen Ausbruch von Gammastrahlen, der rund eineinhalb Minuten anhielt und in astronomischen Katalogen seither als GRB 060614 geführt wird. Derart energiereiche Ereignisse sind üblicherweise die Folge von Supernova-Explosionen, bei denen schwere Sterne gänzlich zerrissen werden und ihr Leben in einem kosmischen Feuerwerk aushauchen. Astronomen konnten am Ort des Gammastrahlen-Ausbruchs allerdings keine Supernova identifizieren. Aber sie hatten eine andere Idee: Könnte es sich um die Implosion eines Weißen Lochs gehandelt haben?
Das Video auf dem YouTube-Kanal SciShow Space geht diesen bislang noch völlig hypothetischen Objekten auf wissenschaftlich akkurate Weise auf den Grund. Weiße Löcher ergeben sich genauso wie Schwarze Löcher als mathematische Lösungen aus den Gleichungen der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie – nur sind sie eben das exakte Gegenteil von ihren schwarzen Verwandten. Anstatt Materie anzusaugen, spucken sie welche aus. Aus einem Schwarzen Loch kann nichts wieder entkommen, nicht einmal Licht. In ein Weißes Loch hingegen kann nichts hineingelangen, auch Licht nicht. Allerdings besagt die Theorie, dass Weiße Löcher hochgradig instabil sind und irgendwann explodieren – vielleicht so wie bei dem Gammastrahlen-Ausbruch von 2006.
Eine der vielen offenen Fragen, von denen das Video nur einige diskutiert: Wie könnte solch ein Weißes Loch überhaupt entstehen? Solche eigenartigen Verkrümmungen der Raumzeit lassen sich durch keinen bekannten physikalischen Prozess erzeugen. Mancher spekuliert aber, dass es beim Urknall zu bisher unbekannten Phänomenen kam, bei denen sich Weiße Löcher gebildet haben. Diese würden seither ihre Energie ins Weltall blasen, um schließlich zu explodieren und zu verschwinden. Einige Theoretiker halten es gar für denkbar, dass unser Universum selbst aus einem Weißen Loch hervorgegangen ist.
Eine der jüngeren Ideen zu Weißen Löchern stammt von den theoretischen Physikern Hal Haggard und Carlo Rovelli. Als sie 2014 gemeinsam an einer französischen Universität arbeiteten, griffen sie in einem Aufsatz mit einigen neuen Argumenten die schon ältere Hypothese auf, dass aus Schwarzen Löchern Weiße werden könnten, die das zuvor aufgesaugte Material dann wieder in den Weltraum "ausspucken" (siehe Wenn Schwarze Löcher weiß werden auf Spektrum.de).
Bei ihren Überlegungen berufen sie sich auf eine ebenfalls noch spekulative Quantentheorie der Gravitation, an der Rovelli arbeitet. Das Weiße Loch würde anschließend, ähnlich einer Supernova, explodieren und verschwinden. Ein Durchbruch sind ihre Überlegungen allerdings noch keineswegs, wie etwa die theoretische Physikerin Sabine Hossenfelder in ihrem Blog backreaction detailliert darlegt.
Weiße Löcher bleiben also weiterhin eine mathematische Spekulation, die möglicherweise keinerlei Bezug zur Realität hat. Damit steht sie nicht allein: Es gibt jede Menge Lösungen physikalischer Gleichungen, die mathematisch korrekt sind, aber dennoch keinerlei physikalische Objekte oder Phänomene in unserem Universum beschreiben.
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