Biotechnologie: Biohacking: Gentechnik in der heimischen Garage
Viel zu kompliziert, zu teuer und ohnehin kaum nützlich: Dass ein Computer für den privaten Gebrauch nicht tauge, war die wohl irrigste Fehlprognose der IT-Geschichte. Heute herrscht erneut Prognosebedarf: Werden auch die Werkzeuge der Gentechnik immer größere Verbreitung finden? Bis vor wenigen Jahren waren sie einigen wenigen Spezialisten vorbehalten. Mittlerweile finden sie sich in so manchen heimischen Garagen und Kellern. Do-it-yourself-Biologen haben längst begonnen, an Organismen und Erbinformationen zu experimentieren, Pflanzen zum Leuchten zu bringen oder ihr eigenes Erbgut auf Mutationen zu testen.
Inzwischen arbeiten die Biohacker sogar mit der Genschere CRISPR, mit der man bestimmte Genabschnitte finden, ausschneiden und ersetzen kann. In einem TED-Vortrag von 2016 gab die US-Biologin Ellen Jorgensen ihnen Auskunft über alles, Was man über CRISPR wissen muss.
Mindestens ebenso aufschlussreich ist aber Jorgensens hier vorgestellter erster TED Talk von 2012. Auch wenn manche der darin aufgestellten Behauptungen selbst heute noch nicht richtig sind, so gibt er doch einen sehenswerten Einblick in die Frühzeit der Biohacker-Szene.
2009 gründete Jorgensen in New York das weltweit erste Community Labor, in dem sich Laien gemeinsam mit Profis an die Arbeit machten. Drei Jahre später macht die Biologin in ihrem Talk begeistert Werbung für die Gentechnik für jedermann und preist den rasanten Fortschritt der Biotechnologie. Dabei übertreibt sie auch schon mal: Ein menschliches Genom kann zwar für unter 1000 Dollar oder innerhalb eines Tags sequenziert werden, beides gleichzeitig gelingt allerdings nicht einmal heute.
Jorgensen kritisiert auch die Presse, die der Biohacking Community immer wieder böse Absichten unterstelle. Schließlich habe sich die Community längst einen Ethikkodex auferlegt. Das ist ebenfalls nur halb richtig: Einen gemeinsamen Kodex aller Hacker, wie sie behauptet, gab und gibt es nicht. Während sich europäische Hacker uneingeschränkt zu friedfertigen "Hacks" verpflichten, wählt die amerikanische Fassung weichere Formulierungen, denen zufolge Biohacking zu friedfertigem Gebrauch eingesetzt werden "sollte". Ein weiterer Unterschied zwischen den Kontinenten: Die Arbeit mit gentechnisch veränderten Organismen ist in Europa anders als in den USA nur in lizenzierten Laboren erlaubt. Die Möglichkeiten von Community-Laboren sind hierzulande also deutlich eingeschränkt.
In den letzten Jahren ist die weltweite Biohacking Community stetig gewachsen. Über 100 registrierte Do-it-yourself-Labore gibt es inzwischen, auch an deutschen Standorten. Gegen einen monatlichen Beitrag können Mitglieder hier ihre eigenen Projekte umsetzen. Die werden immer vielfältiger, unter anderem dank CRISPR. Gerade einmal zwei Monate nach Jorgensens Vortrag im Jahr 2012 hatten zwei Wissenschaftlerinnen diese Wunderwaffe vorgestellt. Das Genom zu manipulieren wurde damit schlagartig einfacher und effizienter, für Forscher ebenso wie für Amateure.
Ein Hacker spritzte sich CRISPR sogar kurzerhand selbst und verkauft zudem Sets zur Veränderung menschlicher DNA im Internet. Wahrscheinlich blieb die Gentherapie in Eigenregie zwar schlicht folgenlos: Was mittels CRISPR in einzelnen Zellen im Labor gelingt, funktioniert in einem menschlichen Körper noch lange nicht. Trotzdem sollte man dringend die Finger davon lassen, warnte erst vor wenigen Wochen die FDA, die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel.
In ihrem Vortrag von 2016 setzte Jorgensen aber trotzdem darauf, Laien den Umgang mit der Genschere zu vermitteln. Nur wer Bescheid wisse, so rechtfertigt sie ihr Tun, der könne sich in einen verantwortungsvollen gesellschaftlichen Dialog einbringen.
Dieser Dialog könnte tatsächlich breiter werden. Seit 2015 sind sogar tragbare Geräte zum Sequenzieren von DNA auf dem Markt. Zwar werden Biohacker wohl nur in seltensten Fällen zu neuen Erkenntnissen gelangen. Andererseits entwickeln sie auch neue Arten, Wissenschaft zu betreiben: in offenen, dezentralen und freien Strukturen und für einen Bruchteil der bislang üblichen Kosten.
Anstatt also das Gute zu reglementieren, gilt es vielmehr, Missbrauch wirksam einzuschränken. Dann würden Amateure, Wissenschaft und Gesellschaft gleichermaßen vom Biohacking profitieren.
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