Wir Werden Alle Sterben: Cholera-Verdacht auf dem Kreuzfahrtschiff
Heute haben wir ein aktuelles Thema mit einer spannenden Hintergrundgeschichte. Und zwar den Fall des Kreuzfahrtschiffs »Norwegian Dawn«, das in zwei Häfen abgewiesen wurde und zwei Tage vor Mauritius festlag. Laut Medienberichten hatten sich 15 Reisende in Südafrika einen Magen-Darm-Infekt geholt, und der Verdacht stand im Raum, dass es sich um Cholera handeln könnte. Nach einigen Tests hat sich der Verdacht nicht bestätigt, und das Schiff durfte in den Hafen einlaufen. Die restriktive Handhabung zeigt aber, wie ernst die Behörden in der Region die Cholera nehmen.
Cholera ist eine von Bakterien ausgelöste, gefährliche Durchfallerkrankung, die sehr schnell töten kann. Sie ist aber keine Seuche, die man an Bord eines Kreuzfahrtschiffes erwarten würde. Es grassieren zwar immer wieder Magen-Darm-Erkrankungen an Bord von Kreuzfahrtschiffen, aber das sind eben meistens hoch ansteckende Noroviren oder Colibakterien, die fäkal-oral von Mensch zu Mensch übertragen werden. Cholera dagegen wird hauptsächlich über verschmutztes Wasser übertragen. Sie ist eine klassische Armutskrankheit, die sich dort verbreitet, wo die Menschen keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.
Avocados, Katzen, Supervulkane – die Welt ist voller Gefahren. In dieser Videoserie stellen die Spektrum-Redakteure Lars Fischer und Mike Zeitz regelmäßig spannende, ungewöhnliche oder einfach kuriose Dinge vor, die auf die eine oder andere Art zum unerwarteten Frühableben führen können.
Die übrigen Folgen der Serie finden Sie auf dieser Sammelseite.
An Bord eines Kreuzfahrtschiffes trifft man nun aber vor allem Menschen, die das Problem nicht haben, und außerdem gibt es dort sauberes Trinkwasser. Das heißt, anders als zum Beispiel beim Norovirus kann sich das Cholerabakterium nicht auf dem normalen Weg unter den Mitreisenden verbreiten. Es war also relativ unwahrscheinlich, dass es sich tatsächlich um Cholera handelte.
Dass die Behörden der Inselstaaten La Réunion, die dem Schiff zuerst die Einfahrt verweigerten, und Mauritius trotzdem drastische Maßnahmen ergriffen haben, hat mehrere Grunde. Zum einen ist es zwar nicht allzu wahrscheinlich, dass sich Cholera auf einem Kreuzfahrtschiff verbreitet – ganz unmöglich ist es aber auch nicht. Denn die Bakterien können sich auch über bestimmte Lebensmittel verbreiten, wenn sie kontaminiert werden. Solche Choleraausbrüche durch Lebensmittel kommen auch in Industrieländern vor, aber sie bleiben klein und irrelevant, wenn der Hauptverbreitungsweg durch Wasser abgeschnitten ist.
Die Bedrohung vor der Haustür
Auf einem Kreuzfahrtschiff hat man allerdings zwei Besonderheiten. Einerseits nämlich ein Buffet, in dem jeden Tag 2000 Touris mit ihren ungewaschenen Fingern rumgrabbeln. Da können Ausbrüche natürlich etwas größer werden. Und andererseits bleiben die Leute natürlich auch nicht auf dem Schiff, sondern gehen binnen weniger Tage an Land und können die Bakterien dann dort verbreiten. Zumal ein Teil der Infizierten gar keine Symptome hat.
Hinzu kommt: Das südliche Afrika hat derzeit ein massives Choleraproblem und bekommt es nicht so recht in den Griff. Seit 2023 grassiert in diversen Ländern in der Region die Cholera mit hunderttausenden Infizierten, mehr als 5000 Toten und Fallsterblichkeiten von teilweise über zwei Prozent.
Neben unzulänglichem Zugang zu sauberem Trinkwasser und den schlecht ausgestatteten Gesundheitssystemen in der Region spielt dabei auch der Klimawandel eine beträchtliche Rolle, weil er das Muster der Regenfälle in der Region verändert. Cholera hat die etwas paradox erscheinende Besonderheit, dass Epidemien sowohl durch Dürre als auch durch Starkregen wahrscheinlicher werden. Bei Wassermangel sind mehr Menschen auf potenziell verschmutzte Wasserquellen angewiesen, und Überschwemmungen führen wiederum dazu, dass gefährliche Bakterien aus Abwassersystemen und Sickergruben und dergleichen Wasserressourcen verunreinigen.
Und Wasser ist eben auch auf den Inselstaaten des indischen Ozeans ein potenzielles Problem. Mauritius ist zwar ein vergleichsweise wohlhabendes Land mit einem recht guten Gesundheitssystem, aber Bevölkerung und Wasserbedarf wachsen, während die vorhandene Infrastruktur nicht Schritt halten kann. Deswegen verschlechtert sich die Situation dort, was die Wasserversorgung angeht. Bisher galt Mauritius als Region mit so genanntem Wasserstress, weil in der Trockenzeit saisonal mehr Wasser verbraucht wurde, als nachhaltig zur Verfügung steht.
Inzwischen ist das Land in die Wassermangelkategorie gerutscht, das heißt, der Verbrauch übersteigt die vorhandenen Ressourcen. Und das macht Mauritius natürlich potenziell verwundbar. Und mit der großen Choleraepidemie im südlichen Afrika hat Mauritius eine Bedrohung vor der eigenen Haustür, die es nicht ignorieren kann. Und das erklärt eben, warum ein Kreuzfahrschiff wegen ein paar Durchfallkranken zwei Tage vor dem Hafen warten musste.
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