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Nanotechnologie : Computerchips aus Nanoröhren: Ganz unten ist noch viel Platz

In einem TED-Video verheißt ein IBM-Forscher das nahende Zeitalter der Nanoröhren-Computerchips. Ein Blick in die Fachliteratur scheint seine optimistische Sicht zu stützen.
The next step in nanotechnology | George Tulevski

Veröffentlicht am: 31.01.2017

Laufzeit: 0:09:35

Sprache: englisch

Untertitel: englisch

Die Konferenzorganisation TED (Technology, Entertainment, Design) ist durch Video-Kurzvorträge von Vordenkern unterschiedlicher Fachdisziplinen im Internet bekannt geworden. Millionen Zuschauern werden spannende, nicht selten provokante Ideen vorgestellt. Motto: Ideas worth spreading.

Im Jahr 1959, zwei Tage vor Silvester, hielt der Physiker und spätere Nobelpreisträger Richard Feynman einen Vortrag am California Institute of Technology mit dem Titel: "Ganz unten gibt es noch viel Platz." Die Sitzplätze in den unteren Reihen des Vorlesungssaals meinte er damit nicht, sondern die Beobachtung, dass der Mikrokosmos, jener Teil der Wirklichkeit, in dem das bloße Auge nichts mehr unterscheiden kann, in einem gewissen Sinn gigantisch ist. Denn dort, so Feymans Vorhersage, könnte man locker die ganze Encyclopædia Britannica unterbringen – wenn man nur die nötige Technologie hätte.

Feynmans Vision hat sich seither vielfach bestätigt. 1989 etwa gelang es Forschern von IBM, das Logo der Firma wenige Nanometer groß mittels 35 Xenon-Atomen auf eine Metallschicht zu schreiben. Sind einzelne Buchstaben nur einige Atomdurchmesser groß, würde die Encyclopædia Britannica tatsächlich auf den Kopf einer Stecknadel passen – sogar ganze 2000 mal. Die Technologie, die nötig ist, um Atome derart genau zu positionieren, das Raster-Tunnel-Mikroskop, hatte IBM acht Jahre zuvor öffentlich vorgestellt.

Mit der zielgenauen Anordnung einzelner Atome oder Moleküle könnten noch kleinere Schaltkreise geschaffen werden, als es sie heute gibt. Seit den Erfolgen der 1980er Jahre arbeitet IBM an diesem Ziel: Mehr Transistoren pro Chip bedeuten schließlich schnellere Mikroprozessoren. Je tiefer man aber in immer winzigere Dimensionen der Nanowelt vordringt, desto stärker kommen widerpenstige Quanteneffekte ins Spiel. Die haben bisher verhindert, dass die Transistoren in den Chips deutlich kleiner werden als 10 Nanometer. Bisher.

In diesem Ende 2016 aufgezeichneten TED-Vortrag verspricht der Nanoforscher George Tulevski, das Problem bald zu überwinden. Statt Strukturen Atom für Atom zu bauen, werde man in Zukunft die Fähigkeit der Natur zur Selbstorganisation nutzen. Konkret meint der IBM-Forscher das Phänomen, dass sich Kohlenstoff-Nanoröhren mit ein wenig chemischer Unterstützung gewissermaßen von selbst so anordnen, dass man sie anschließend zu Transistoren und Schaltkreisen kombinieren kann. Denn Nanoröhren sind weniger anfällig für das erratische Verhalten der Nanowelt als herkömmliche Chipmaterialien. So ließe sich die Prozessorengeschwindigkeit um das 10-fache erhöhen.

Das klingt vielversprechend, zumal Tuvalevski dies schon "in den kommenden Jahren" erwartet. Allerdings endet sein unterhaltsamer und metaphernreicher Vortrag, ohne dass er erklärt hätte, wie er und seine Kollegen bei IBM "eine Menge Staub dazu bringen" wollen, "sich selbst zu einer Skulptur zusammenzusetzen". Ist die Forschung wirklich schon so weit?

Bereits 2012 hatte Tulevskis Team einen Artikel in Nature Nanotechnology veröffentlicht, der die Technologie beschreibt: Kohlenstoff-Nanoröhren werden mit dem Tensid Natriumlaurylsulfat "ummantelt", das in den meisten Waschmitteln enthalten ist. Dieser Mantel bringt die Röhren dazu, sich auf einem regelmäßigen Gitter aus beschichtetem Hafnium-Dioxid anzulagern.

Anschließend werden Ummantelung und Beschichtung ausgewaschen, und die Nanoröhren verbinden sich zu einer festen Struktur. Nun fehlt ihnen noch die Funktionalität eines Transistors. Dazu "schreiben" die Forscher per Elektronenstrahllithografie Kollektor- und Emitter-Elektroden aus einer Palladium-Titan-Gold-Mischung auf die Enden der Nanoröhren. So entsteht ein elektronischer Grundbaustein: zwei Elektroden, verbunden nur durch eine leitfähige Nanoröhre. Zwei Elektroden auf der einen Seite, die über je eine Nanoröhren-Brücke mit einer einzigen Elektrode auf der anderen Seite verbunden sind, bilden schließlich einen Transistor. Je kürzer man diese Nano-Brücke und je kleiner man die Elektroden bauen kann, desto mehr Transistoren passen auf den Chip.

Ebenfalls schon 2012 zeigte die Gruppe um Tulevski, dass man auf Basis von Kohlenstoff-Nanoröhren Transistoren herstellen kann, die kleiner als zehn Nanometer sind (eine vereinfachte Darstellung bietet dieser Beitrag auf nanowerk.com). Und 2017 berichtete eine Gruppe von der Universität Peking von einem Feldeffekttransistor auf Basis von Kohlenstoff-Nanoröhren unter 10 Nanometer, der zudem mehr leistet als herkömmliche Silizium-Transistoren der gleichen Größe (für Details siehe diesen Beitrag auf phys.org)

Tatsächlich existieren Transistoren aus sich selbst organisierenden Kohlenstoff-Nanoröhren also schon seit einigen Jahren. Noch aber hat es die Technologie nicht in die Massenfertigung geschafft. Die Gründe dafür sind vielfältig. Kohlenstoff-Nanoröhren sind manchmal halbleitend (solche braucht man) und manchmal metallisch (was sie nutzlos macht) – bei der Herstellung kann man diese Varianten aber schlecht trennen. Außerdem sind Kohlenstoff-Nanoröhren hauptsächlich Halbleiter vom p-Typ (mit einer kleinen Menge an freien Elektronen). Für einen effizienten Computerchip benötigt man aber auch n-Halbleiter (mit einer großen Menge freier Elektronen).

Laut einem Bericht in Ars Technica hat IBM diese Hürden mittlerweile überwunden. Ob Tulevski nun sein großes Versprechen einhalten kann, Nanoröhren-Chips bald auch für kommerzielle Anwendungen zu bauen? Ausgeschlossen ist es nicht.

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