Apokalypse: Das Ende der Welt – vage und blutleer
Jede Zeit hat ihre eigene Vorstellung vom Ende der Menschheit. In den 50er bis 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stand die Angst vor einem globalen Atomkrieg im Mittelpunkt, was sich in vielen Filme aus dieser Zeit widerspiegelt.
Als die Sowjetunion zerfiel, verlor die Vorstellung einer nuklearen Weltzerstörung viel von ihrem Schrecken, obwohl die Atomwaffenarsenale keineswegs verschwunden waren. Die Atomkriegsuhr, mit der die Wissenschaftler des »Bulletin of Atomic Scientists« das Risiko eines Atomkriegs messen, wurde von sechs Minuten vor zwölf auf 17 Minuten vor zwölf zurückgestellt.
Gegenwärtig machen sich wieder mehr Ängste breit. Die Großmächte stehen vor einer Konfrontation, das Klima wird unberechenbar, immer mehr Menschen sind auf der Flucht. Die Atomkriegsuhr steht auf zwei Minuten vor zwölf. Im besten Fall greifen apokalyptische Filme solche Befürchtungen auf und legen die Bruchstellen unserer hochtechnisierten Gesellschaft offen. Der am 13. Juli 2018 auf Netflix anlaufende Film »How it Ends« ist trotz einiger guter Ansätze von diesem Ideal jedoch ein gutes Stück entfernt.
Die Geschichte beginnt in Chicago. Ohne jede Vorwarnung geht der Kontakt mit der US-Westküste plötzlich verloren, alle Flugverbindungen werden gestrichen. Kampfflugzeuge rasen über die Stadt, der Strom fällt aus. Fernsehen, Radio, Internet und Mobilfunknetze stellen ihren Betrieb ein.
Der Protagonist Will, ein fast archetypischer Yuppie, macht sich mit seinem Schwiegervater nach Seattle auf, um seine schwangere Partnerin zu finden und in Sicherheit zu bringen. Sie müssen die 3300 Kilometer lange Strecke notgedrungen mit dem Auto zurücklegen.
Für die beiden gegensätzlichen Männer beginnt ein ungewisser Roadtrip durch den dünn besiedelten Nordwesten der USA. Niemand scheint zu wissen, was geschehen ist, jeder misstraut jedem, die Ordnung löst sich von Tag zu Tag auf, das Faustrecht regiert. Seltsame Zeichen tauchen am Himmel auf, wilde Gerüchte machen die Runde. Die einzige konkrete Bedrohung taucht im Trailer wie im Film ganz am Schluss auf. Ein gewaltiger Vulkanausbruch erzeugt einen so genannten pyroklastischen Strom (für Details zu diesen Strömen siehe diesen Beitrag auf den Scilogs), eine glutheiße Mischung aus Gas, Asche und Steinsplittern. Bei einer explosiven Eruption rollt er mit ungeheurer Geschwindigkeit die Flanken des Feuerbergs herunter. Wenn man ihm im Auto entkommen will, braucht man schon sehr viel Glück.
Der Film greift eine der großen Ängste der heutigen Gesellschaft auf: das Versiegen der Datenströme. Die Welt ist transparent geworden, jedes Ereignis erzeugt ein vielfaches Echo im Internet. Was aber geschieht, wenn das Netz der Netze plötzlich zerreißt? Wenn alle Nachrichtenkanäle schweigen und uns aus den bunten Zauberschirmen der Smartphones nur noch undurchdringliche Schwärze entgegenblickt? Wenn sogar der elektrische Strom, das Lebenselixier unserer smarten Häuser, zu fließen aufhört?
Für einen so umfassenden Ausfall der Infrastruktur gibt es nur wenige plausible Erklärungen. Als natürliche Ursache käme ein geomagnetischer Sturm in Frage. Eine gewaltige Sonneneruption könnte in Überlandleitungen so starke Ströme induzieren, dass die Transformatoren fast flächendeckend durchbrennen. Das wäre denkbar, aber es gibt heute ein satellitenbasiertes Frühwarnsystem, mit dem Wissenschaftler solche Ereignisse einige Stunden im Voraus erkennen können. Damit bleibt Zeit für Gegenmaßnahmen und eine öffentliche Warnung. Im Film tritt das Ereignis aber überraschend auf. Ein gezielter Angriff würde besser passen. Wenn ein unbekannter Feind Computerviren auf die Computer von Kraftwerken und Serverfarmen loslässt und gleichzeitig Verbindungsknoten, Unterseekabel und Umspannwerke sprengt, könnte er Fernsehen, Internet und Stromversorgung nachhaltig lahmlegen. Die im Film gezeigten Ereignisse an der Westküste sehen allerdings eher nach einer gigantischen Naturkatastrophe aus. Leider lässt der Film diese Frage offen, wir erfahren nicht, warum die Ordnung plötzlich zusammenbricht und wie die unterschiedlichen Phänomene zusammenpassen.
Der Film umfasst sieben Tage, und in dieser kurzen Zeit beginnt das Chaos zu regieren. Es beginnt der Krieg aller gegen alle, fast als hätte der britische Aufklärungsphilosoph Thomas Hobbes das Drehbuch geschrieben. Er sah den endlosen Kampf als Naturzustand des Menschen, dem nur durch einen Gesellschaftsvertrag zu entkommen sei. Man könnte den Film allerdings auch als Analogie zur gegenwärtigen Stimmung in den USA sehen. Das Recht der Faust und der Feuerwaffe ist unter der gegenwärtigen Präsidentschaft im Aufwind, jeder nimmt sich, was er kriegen kann.
Doch leider schafft es der Regisseur nicht, auch nur eines dieser Motive konsequent zu verfolgen. Der Film ist zuallererst ein Roadmovie, und in diesem Genre hat man schon bessere gesehen. Darüber hinaus kann er sich nicht so recht entscheiden. »Keine Wahl als zu kämpfen!«, heißt es im Trailer. Aber die Kämpfe wirken nicht heroisch, sondern blutleer und verzweifelt. Der Ausfall aller Informationsnetze scheint die Filmcharaktere kaum zu berühren. Keine Dialogzeile kritisiert die gegenwärtige Politik der USA.
Die Action-Elemente und die Spannung zwischen den Protagonisten machen den Film durchaus sehenswert. Darüber hinaus sollte man aber nicht viel erwarten. Bei seiner gesellschaftlichen Aussage bleibt der Streifen ebenso ambivalent wie bei der Ausgestaltung der apokalyptischen Katastrophe. Der Titel verspricht mehr, als der Film letztlich halten kann, denn in Wahrheit drückt er sich um die Antwort auf die Frage, »how it ends«.
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