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Interview: "Das geht nur mit Herzblut" – physikalische Aha-Effekte auf YouTube

Ob Zeitreisen, Chaostheorie oder Dunkle Materie: Auf seinem YouTube-Kanal 100SekundenPhysik begeistert Leon Baar Menschen für anspruchsvolle physikalische Themen. Warum er sich selbst dennoch gegen ein Studium der Physik entschieden hat, verrät er im Interview.
Theorie der imaginären Zeit

Veröffentlicht am: 09.08.2017

Laufzeit: 0:03:38

Sprache: deutsch

Auf seinem YouTube-Kanal, der zu den größten deutschen Wissenschaftskanälen gehört, erklärt Leon Baar mit gut gemachten Whiteboard-Animationen physikalische Zusammenhänge.

Leon, woher kommen die Ideen für deine Videos auf 100SekundenPhysik?
Leon Baar: Die Themenideen fliegen mir eher spontan zu, ich recherchiere sie nicht gezielt. Des öfteren denke ich mir etwa: "Also dieses Thema hier könnte man aber auch ganz anders erklären." Zum Beispiel den schwierigen Begriff der Entropie, der sich ja auch einfach anhand eines Kartenspiels illustrieren lässt. Ich habe teilweise eine sehr eigene Art, Dinge zu erklären. Seit neuestem bekomme ich zudem Unterstützung von Physikstudenten, die bringen dann ihre eigenen Ideen mit ein.

Du selbst studierst auch Physik?
Nein, Wirtschaftswissenschaften, aber ich befasse mich natürlich viel mit Physik. Als ich 2012 mit dem Kanal anfing, habe ich mich eigentlich nur mit physikalischen Themen beschäftigt. Das war nach meinem Auslandsjahr in den USA, wo ich einen super Physiklehrer hatte. Der erklärte vieles auf ungewöhnliche Weise. Das hat mich damals gepackt!

Trotzdem hast Du später einen anderen Weg eingeschlagen?
Ich sehe mich beruflich nicht in der Forschung, dazu ist mir die Physik dann doch zu trocken. Außerdem weiß ich, dass das Studium ein harter Brocken ist. Aber ich kann mir gut vorstellen, eines Tages in einem Bereich zu arbeiten, wo Naturwissenschaft auf Wirtschaft trifft.

Wie schaffst du es, neben dem Studium noch Videos zu produzieren?
Ja, das war in der letzten Zeit nicht ganz einfach, ich habe auch wenig neue Videos produziert. Aber nachdem ich nun einige Leute an Bord geholt habe, wird die Frequenz auch wieder steigen.

Wie entstehen deine Videos?
Am Anfang steht natürlich eine Idee, meist die Kernaussage. Oft handelt es sich um einen Aha-Effekt. Ich erkläre den Zuschauern, dass eine Sache in Wahrheit ganz anders ist als man gemeinhin denkt. Anschließend entsteht ein Skript, das ich auch gerne mal meiner Mutter zum Lesen gebe. Sie hat überhaupt keinen Bezug zur Physik. Wenn sie etwas nicht versteht, ist das also immer ein guter Hinweis für mich.

Wie geht es dann weiter?
Anschließend geht es um die Audioproduktion. Ich spreche das Skript ein, und auch in die Musik stecken wir viel Arbeit, damit der Clip wie eine Geschichte wirkt. Für die visuelle Seite erstelle ich zunächst ein Storyboard, das den Ablauf des Videos festhält und beschreibt, was die Bilder aussagen sollen.

Und woher kommen die passenden Bilder?
Der Zeichner ist mein Papa. Er hat Maschinenbau studiert und ist selbst sehr physikaffin. Auf Grundlage des Storyboards bringt er eigene Ideen ein, wenn er die Bilder gestaltet. Anschließend schneiden wir das Video, das ist dann aber meist nicht mehr sehr aufwändig.

Was möchtest du mit deinem Kanal erreichen?
Viele physikalische Themen haben eine hochgradig faszinierende Seite. Die versuche ich darzustellen. Durch trockene Formeln und fehlendes Vorwissen bleibt sie einem oft verwehrt. Auch wenn man manches beiseitelässt, kann man doch oft das Prinzip eines physikalischen Themas darstellen, das dann auch jeder verstehen kann. Gleichzeitig möchte ich die Darstellung aber auch nicht so weit reduzieren, dass sie nichts mehr mit dem eigentlichen wissenschaftlichen Thema zu tun hat. Anders als im Fernsehen, wo das bei Dokumentationen immer wieder geschieht.

Dein Kanal gehört mit über 390.000 Abonnenten und mehr als 21 Millionen Aufrufen zu den erfolgreichsten im Bereich Wissenschaft deutschlandweit. Kannst du dir deinen Erfolg erklären?
Ich glaube, meine Zuschauer klicken nicht auf die Videos, weil sie ein bestimmtes physikalisches Thema erklärt bekommen möchten. Sie suchen nach Unterhaltung, und die biete ich ihnen. Dass sie Information bekommen, ist eher ein Nebeneffekt. Außerdem stecken wir unglaublich viel Herzblut und Liebe in unsere Arbeit. Zum Beispiel versetze ich mich in die Position des Zuschauers und überlege mir, ob mich das Video ansprechen würde. Ich glaube, das ist der Unterschied zu Kanälen von Firmen oder Forschungsinstitutionen mit wissenschaftlichen Videos: Da fehlt oft dieses Herzblut.

Gerade auch vor dem Hintergrund, dass du dein Team gerade aufgestockt hast: Wie finanzierst du den Kanal?
Hoffentlich laufen bald wieder – wie früher – diese kurzen Werbeclips, bevor das eigentliche Video gezeigt wird. In dieser Hinsicht gibt es immer wieder technische Probleme mit YouTube. Der Knackpunkt in der nächsten Zeit wird es aber sein, unabhängig von YouTube einen guten Werbepartner zu finden, der für ähnliche Werte steht wie der Kanal. Und dessen Werbeclips im Idealfall fließend in die Unterhaltung übergehen und die Zuschauer nicht stören. Nur so kann sich der Kanal langfristig finanzieren, aber da bin ich sehr optimistisch.

Das Interview führte Christian Wolf

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