Kernspaltung: Der erste Kernreaktor
Es waren düstere Stunden und ein bedrückender Anlass, als ein Physikerteam um Enrico Fermi das geopolitisch wohl wichtigste naturwissenschaftliche Experiment aller Zeiten durchführte. Ende des Jahres 1942 waren die Vereinigten Staaten nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour und der deutschen Kriegserklärung bereits voll in das Kriegsgeschehen involviert. Viele Wissenschaftler waren aus dem faschistischen Europa geflohen – so auch Enrico Fermi, dessen jüdische Frau Mussolinis Rassegesetze fürchten musste, die dieser in Anbiederung an Hitler erlassen hatte.
Diese Forscher einte eine Befürchtung: Falls Nazi-Deutschland als erstes Land über die Atombombe verfügen würde, hätte es den Krieg zumindest in Europa wohl gewonnen oder könnte verheerende Zerstörung über alle feindlichen Länder bringen. Dass eine solche Atombombe zumindest denkbar war, ergab sich aus den Versuchen von Otto Hahn und seinen Mitarbeitern in Berlin, die am Vorabend des Zweiten Weltkriegs publik wurden. Hahn war es gelungen, Uran-Atomkerne zu spalten. Dabei wird nicht nur sehr viel Energie frei, sondern auch Neutronen, die weitere Uran-Atomkerne spalten können. Gelingt es, genug Uran zu einer kritischen Masse zu verdichten, wird damit eine Kettenreaktion möglich, bei der immer mehr Urankerne gespalten werden. Geschieht dies in kontrollierter Weise, lässt sich damit ein Kernreaktor betreiben. Will man hingegen eine Atombombe bauen, dann muss man die gesamte Energie in einer exponentiell gesteigerten, unkontrollierten Explosion freisetzen.
Das Video des Argonne National Laboratory beschreibt korrekt und mit kunstvoll animierten Legofiguren den Hergang des entscheidenden Experiments durch Fermi und seine Mitarbeiter. Die wissenschaftlichen und geopolitischen Hintergründe, die für dessen Durchführung entscheidend waren, bleiben jedoch außen vor.
So gelang es Fermi, der ein in vielerlei Hinsicht genialer Physiker war, einerseits, die Kettenreaktion wie berechnet einzuleiten. Er konnte daraus aber auch andererseits die Rate der Neutronenvermehrung bestimmen, die für alle folgenden Versuche entscheidend war. Die außerordentlichen Anstrengungen der Vereinigten Staaten zum Bau einer Atombombe wurden im Rahmen des so genannten »Manhattan Project« unternommen, das eine gigantische wissenschaftlich-volkswirtschaftliche Kraftanstrengung war. Innerhalb weniger Jahre stampften die Verantwortlichen eine Atomindustrie aus dem Boden, zu der unter anderem riesige Isotopen-Trennfabriken und große Kernreaktoren gehörten. Als erster funktionierender Kernreaktor ging Chicago Pile 1 in die Geschichte ein. Die hochgeheimen Versuche, aus den spaltbaren Uran- und Plutoniumisotopen eine Bombe zu bauen, geschahen dann in aller Abgeschiedenheit in Los Alamos. Sie führten schließlich zu den Atombomben, die Hiroschima und Nagasaki zerstörten.
Viele der Forscher, die sich an der Entwicklung dieser neuartigen Waffe beteiligt hatten, sprachen sich gegen einen Einsatz auf zivile Ziele aus, sondern befürworteten eine Demonstration über unbewohntem Gebiet. Sie fanden bei Politik und Militär kein Gehör.
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