Bildgebung: Der Film im Kopf
Zwei Filmausschnitte im direkten Vergleich: Auf dem einen ist der US-Komiker Steve Martin zu sehen, auf dem anderen eine verschwommene Gestalt. Auf die Tatsache, dass beide eine (recht geringe) Ähnlichkeit miteinander haben, ist ein kalifornisches Forscherteam um Jack Gallant von der University of California in Berkeley derzeit sehr stolz. Denn die verschwommene Filmsequenz konnten die Wissenschaftler aus der Hirnaktivität von Probanden rekonstruieren: Die Daten hatten sie aufgezeichnet, während sich die Versuchspersonen den Clip mit dem Komiker zu Gemüte führten.
Können Wissenschaftler nun also Gedanken lesen, wie viele Medien anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse 2011 spekulierten? Schauen wir uns das Experiment genauer an. Per funktionaler Magnetresonanztomografie erfassten Gallant und seine Kollegen zunächst die Aktivität im Sehzentrum von Probanden, während diese sich mehrere Stunden lang Filme ansahen. Zuvor hatten sie das Sehzentrum in Zehntausende so genannter Voxel aufgeteilt, also kleine dreidimensionale Volumina. Am Ende kannten sie die Aktivität in jedem einzelnen dieser Voxel. Mit den Daten trainierten die Forscher nun eine Computersoftware, bis diese in der Lage war, Helligkeits- und Bewegungsveränderungen in Filmbildern in eine Beziehung zum Geschehen in den Voxeln zu setzen.
Anschließend folgte der eigentliche Test: Die Testpersonen sahen sich neue Filme an. Auf Basis der Trainingsdaten übersetzte die Software die Hirnaktivität der Probanden in Helligkeits- und Bewegungsdaten und suchte dann aus 18 Millionen Sekunden willkürlich ausgewählten YouTube-Materials die am besten dazu passenden Bilder aus. Die hundert Treffer mit der größten Übereinstimmung überlagerte sie schließlich zum Endergebnis.
Zum Gedanken lesen oder gar zum Entschlüsseln von Träumen reicht das aber wohl noch nicht, schreibt etwa der Kognitionswissenschaftler Stefan Schleim von der Universität Groningen, der sich in einem Blogpost vom September 2011 ebenfalls und sehr ausführlich mit Gallants Experiment beschäftigt hat. Suggeriert werde, dass "zuvor Unbekanntes sichtbar gemacht werden kann" – tatsächlich aber hänge die Rekonstruktion "entscheidend davon ab ... was man alles in das Modell hereinsteckt". Anders gesagt: Je mehr Videosequenzen mit schlanken weißhaarigen Männern das verwendete Videomaterial enthält, desto überzeugender fällt die Rekonstruktion aus. Und mit Blick auf Träume notiert Schleim unbeeindruckt: "Ob [mit Gallants Methode] größere Erfolge zu erwarten sind, als wenn beispielsweise Menschen ihre Traumbilder malen, ist damit eine offene Frage."
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