Mikroskopie: Der Fliege ins Gehirn geschaut
In diesem mit üppiger Fahrstuhlmusik unterlegtem Video wird die Rekonstruktion des Gehirns der Fruchtfliege Drosophila melanogaster gezeigt. Eingesendet wurde es im Jahr 2012 zum Filmwettbewerb der Bernstein-Konferenz 2012 für informatische Neurowissenschaft in München. Der knapp vierminütige Film hat aber keinen Preis gewonnen – wie ich finde: zu Recht.
Schöpfer des Videos sind Chao-Chun Chuang und seine Kollegen von der National Chiao Tung University und der National Tsing Hua University in Taiwan. Es ist sehr schwierig, etwas über Chao-Chun Chuang herauszufinden, keine persönliche oder Institutswebseite führt ihn auf. Das Video nennt auch keine Veröffentlichungen, denen der Kurzfilm entsprungen sein könnte.
Und da setzt auch meine Kritik an. So schön das Video auch anzusehen sein mag, es ist erst einmal völlig unklar, wie es entstanden ist und ob die Daten überhaupt valide sind. Auf den ersten Blick handelt sich um eine 3-D-Rekonstruktion von Aufnahmen mit einem Konfokalmikroskop. Das ist auch das explizite Arbeitsgebiet von Chuang und seinen Kollegen.
Bei derartigen Aufnahmen von Gewebeschnitten oder kleinsten Organen wie dem Drosophila-Hirn wird Licht einer präzise bestimmten Wellenlänge so auf das zu untersuchende Objekt geworfen, dass der Brennpunkt auf einen ganz bestimmten Punkt zu liegen kommt – wie bei einer Lupe im Sonnenlicht – und in drei Dimensionen umher bewegt werden kann.
Heute können verschiedene Zelltypen im Gewebe selektiv mit fluoreszierenden Proteinen eingefärbt werden, mit genetischen oder anderen Methoden. Wählt man nun das Licht so, dass es die fluoreszierenden Proteine anregt, fangen diese an zu leuchten. Mit der konfokalen Fluoreszenzmikroskopie kann man ein Stück Gewebe dann in drei Dimensionen abtasten wie mit einem 3D-Scanner. Offenbar haben Chuang und seine Kollegen einzelne Zelltypen im Drosophila-Hirn mit verschiedenen fluoreszierenden Proteinen angefärbt und dann abgescannt: Zu Beginn sieht man in grün die Nervenzellen der Antennen, in Dunkelgelb den Antennenlappen und darüber die sogenannten Pilzkörper. All dies sind Strukturen, denen die Fruchtfliege ihre Geruchsfähigkeiten verdankt.
Chao-Chun Chuang hat insgesamt sechs Fachpublikationen vorzuweisen. Diejenigen Veröffentlichungen, auf denen die im Video gezeigten Daten wahrscheinlich beruhen, sind die Artikel aus dem Jahr 2011 und 2012. Aber es bleibt unklar, ob dem wirklich so ist. Und welche Neuronentypen hier wie gezeigt werden und was daran zu verstehen ist, lässt sich aus dem Video alleine auch nicht erkennen. Wer allerdings weiteres Interesse an dem Thema hat, sollte sich einmal die Arbeit von Gilles Laurent am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt anschauen. Bei ihm handelt es sich um einen wahren Pionier auf dem Gebiet der Geruchsforschung bei Fliegen und Bienen.
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