Massereiche Himmelskörper : Dichter geht's nicht
Das Ende eines Sternlebens kann dramatisch sein. Nach vielen Millionen Jahren beständigen Brennens geht dem Himmelskörper irgendwann der Brennstoff aus. Was dann passiert, hängt vor allem von seiner Masse ab. Sterne, die ähnlich massereich wie unsere Sonne sind, verwandeln sich in einen weißen Zwerg und führen fortan ein beschauliches Dasein. Das ist aber nicht jedem ihrer Verwandten gegönnt: Schwere Sterne ab ungefähr der achtfachen Sonnenmasse explodieren in einer gewaltigen Supernova. Dabei wird der größte Teil der Materie mit hoher Geschwindigkeit ins All ausgestoßen, während sich das Zentrum des Sterns zu einem exotischen Objekt zusammenzieht: einem Neutronenstern.
Der US-Physiker Nick Lucid erklärt in einem Video seines YouTube-Kanals "Science Asylum" auf gewohnt lockere und skurrile Art, was Neutronensterne sind und wie sie entstehen. Zu Recht betont er, dass es sich bei ihnen um komplexe Gebilde handelt, die zudem nicht nur aus Neutronen bestehen. An ihrer Oberfläche gibt es noch "normale" Materie, auch wenn sie stark komprimiert ist. In ihrem Innern wird jedoch alles zu Neutronen zusammengequetscht, also zu hochdichter Kernmaterie.
Was Lucid allerdings nicht erwähnt: Viele Forscher gehen davon aus, dass tief im Innern von Neutronensternen noch exotischere Materiezustände herrschen. Möglicherweise besteht ihr Zentrum aus einem Quark-Gluon-Plasma, bei dem sich die Bestandteile von Neutronen und Protonen – jeweils drei Quarks, "verbunden" durch Gluonen – quasi vollständig in einem großen Brei aufgelöst haben. Ein solcher hochenergiereicher und extrem dichter Zustand herrschte auch Sekundenbruchteile nach dem Urknall. Selbst in den stärksten Teilchenbeschleunigern lässt er sich nur für kürzeste Augenblicke erzeugen, und auch dann nur in einem winzigen Volumen. In Neutronensternen könnte er hingegen dauerhaft vorliegen.
Darüber hinaus sind Neutronensterne Grenzgänger, die auf der Schwelle zu noch exotischeren Phänomenen balancieren. Ein wenig schwerer, und sie würden zu Schwarzen Löchern kollabieren. Das passiert etwa dann, wenn zwei solcher ultradichten Objekte, die aus einem ehemaligen Doppelsystem zweier einander umkreisender schwerer Sterne entstanden sind, aufeinander prallen. Vermutlich ist genau dies bei dem kürzlich nachgewiesenen Ereignis in der Galaxie NGC 4993 geschehen. Dabei konnten Astronomen erstmals die Verschmelzung zweier Neutronensterne sowohl mit Hilfe der beim Ereignis ausgesandten Gravitationswellen als auch mit herkömmlichen Teleskopen beobachten.
Bei einer solchen Kollision verschwindet der größte Teil der Materie im Schwarzen Loch. Aufgrund der enormen Kräfte wird aber zugleich ein kleiner Anteil der extrem dichten Materie mit hoher Geschwindigkeit ins All ausgestoßen. Dort bleibt sie nicht stabil: Weil die immensen Gravitationsfelder fehlen, wie sie in Neutronensternen herrschen, verwandeln sie sich in eine heiße Suppe schwerer Elemente unter Beschuss von intensiver Neutronenstrahlung. Bei diesen Prozessen entsteht vermutlich ein großer Teil der sehr schweren Elemente in unserem Universum, darunter Gold und Blei.
Was im Innern von Neutronensternen vor sich geht, wird sich wohl nie direkt beobachten lassen. Jede Sonde, die einem solchem Objekt zu nahe kommt, würde entweder durch seine enormen Magnetfelder zerrissen oder durch die Gravitationskraft zerquetscht. Mit Hilfe der noch jungen Gravitationswellenastronomie könnte man diesen Exoten aber vielleicht doch ein paar Geheimnisse entlocken: Denn Kollisionen von Neutronensternen könnten sich in verschiedenen messbaren Aspekten unterscheiden – je nachdem, ob sie in ihrem Innern Neutronen, ein Quark-Gluon-Plasma oder noch eigenartigere Materiezustände enthalten.
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