Historische Schlachten: Die schlimmsten Kriege aller Zeiten
Das Video von »Global Stats« ist simpel, aber gut gemacht. Zu sehen ist die Weltkarte in gedeckten grau-blauen Farben. Darauf zeigt es die Anzahl sowohl militärischer als auch ziviler Opfer in Schlachten im Lauf der Weltgeschichte. Die Grafik beginnt mit einem Zeitstrahl bei 547 v. Chr., jede Schlacht wird mit weißer Schrift eingeblendet und mit einem roten Punkt geortet. In friedlichen Zeiten läuft der Zeitstrahl schneller; nähert sich ein Krieg, verstreichen die Jahre langsamer. Als Schlachten werten die Autoren hierbei auch Belagerungen, bei denen es zu tödlichen Auseinandersetzungen kam. Im Zeitraum zwischen Erstem (1914-1918) und Zweitem Weltkrieg (1939-1945) werden die Schlachten zusammengefasst dargestellt. Die traurigen »Top 6 der tödlichsten Schlachten« werden links eingeblendet und laufend aktualisiert. Untermalt ist das Ganze mit dramatischer Musik: »Inflection« des australischen Komponisten Scott Buckley.
Inhaltlich hat das Video einige Schwächen. Zunächst einmal ist es schwierig, die historische Bedeutung einer Schlacht oder eines Kriegs an der Anzahl ihrer Toten zu messen. »Global Stats« nimmt getötete Zivilisten in die Zählung auf. Das zumindest ist richtig und wichtig, weil bei bewaffneten Auseinandersetzungen in der Regel mehr Zivilisten als Soldaten sterben – allerdings nicht unbedingt als Folge der Kampfhandlungen, sondern früher vor allem an Hunger, Seuchen und an – im Vergleich zu heute – katastrophalen medizinischen Bedingungen. Nur die getöteten Soldaten der gegnerischen Heere zu zählen, wäre vor dem Hintergrund trügerisch.
Allerdings kann eine kriegerische Auseinandersetzung politisch oder militärisch bedeutsamer sein, als es vermeintlich geringe Opferzahlen vermuten lassen. Die Schlacht von Bannockburn 1314 beispielsweise rangiert mit »nur« 19 000 Toten sehr weit unten, ist aber eine der wichtigsten Schlachten in den Schottischen Unabhängigkeitskriegen des späten 13. und 14. Jahrhunderts. Und der – heute glücklicherweise politisch geführte - Kampf der Schotten um ihre Unabhängigkeit hat bis in die Gegenwart überdauert.
Im Verlauf des Videos sieht der Zuschauer, dass binnen der Jahrhunderte die Opferzahlen pro Schlacht tendenziell stiegen, es also immer mehr Tote pro Krieg gab. In absoluten Zahlen war das 20. Jahrhundert das blutigste der Menschheitsgeschichte. Der Erste Weltkrieg, der auch als »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« bezeichnet wird, war mit 17 Millionen Toten der erste industriell geführte Massenkrieg der Geschichte. Im Zweiten Weltkrieg starben wenige Jahre später 60 bis 70 Millionen Menschen. Doch historische Ereignisse müssen immer im Kontext ihrer Zeit betrachtet werden. Relativ gesehen hatten kriegerische Auseinandersetzungen in früheren Zeiten nämlich einen größeren Einfluss auf die Weltbevölkerung. Die Invasion der Mongolen im 13. Jahrhundert etwa kostete 40 Millionen Menschen das Leben. Die Weltbevölkerung betrug damals aber gerade einmal rund 500 Millionen Menschen. Unter Timur Lenk, dem türkisch-mongolischen Eroberer, starb also jeder achte Mensch auf der Erde. Dass im 20. Jahrhundert absolut mehr Menschen in Kriegen starben als zuvor, liegt also nicht unbedingt nur an der Weiterentwicklung von Waffentechnik und Militärtaktik. Früher gab es schlicht weniger verfügbare Menschen. Bei diesem Datum griffen die Autoren des Videos im Übrigen um ein paar Jahrhunderte daneben: Timur eroberte Dehli im Jahr 1398 und nicht wie gezeigt um 1760.
Auch die Auswahl der eingeblendeten Schlachten ist an manchen Stellen zweifelhaft. Dabei überrascht nicht unbedingt, welche Schlachten gezeigt werden, sondern welche es nicht ins Video geschafft haben. Ein gutes Beispiel ist die An-Lushan-Revolte gegen die chinesische Tang-Dynastie von 756 bis 763. Die Opferzahlen variieren je nach Quelle. Schätzungen zufolge starben in jenen sieben Jahren rund 13 Millionen Menschen. Das entsprach seinerzeit gut fünf Prozent der Weltbevölkerung. So gesehen war diese Revolte einer der schlimmsten Kriege aller Zeiten. Im Video spielt dieser Aufstand allerdings keine Rolle.
Der 30-jährige Krieg wird mit »8 Mio+« Opfer angegeben, was in der Forschung umstritten ist. In den Top 6 tauchen die von 1618 bis 1648 dauernden kriegerischen Auseinandersetzungen nicht auf, wohl weil es kein einzelner Feldzug war, sondern eine Reihe von Schlachten und Scharmützeln. Im Gegensatz dazu werden allerdings, wie oben erwähnt, Schlachten aus den beiden Weltkriegen zusammengefasst dargestellt. Will man eine einzelne Schlacht als die tödlichste hervorheben, so wäre das wohl die Schlacht um Stalingrad, bei der sich von August 1942 bis Februar 1943 die Sowjetunion und das Deutsche Reich mit seinen Verbündeten gegenüberstanden. Sie gilt als einer der entscheidenden Wendepunkte des Zweiten Weltkriegs und kostete rund eine Million Soldaten das Leben. Im Kessel von Stalingrad starben 226 000 deutsche Soldaten, weitere 300 000 Verbündete wurden um Stalingrad herum getötet.
Das Video endet außerdem 1987 und lässt damit die Schlachten und Kriege der jüngeren Geschichte völlig außer Acht – zu Unrecht. Denn damit fehlt, um nur ein Beispiel zu nennen, der Völkermord in Ruanda im Jahr 1994. Dabei wurden je nach Schätzungen bis zu eine Million Menschen getötet. Fazit: Die Animation gibt einen interessanten Einblick in die Schlachten und Kriege auf der Welt, hinterlässt aber ein verzerrtes und unvollständiges Bild.
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