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Wir Werden Alle Sterben: Der Angriff der Tigermücke

Die asiatische Tigermücke breitet sich in Deutschland aus. Das Insekt überträgt viele Krankheiten, darunter Denguefieber und Chikungunya. Wie groß ist die Gefahr?
Die Tigermücke - Wir Werden Alle Sterben

In Heidelberg herrscht Krieg, und zwar gegen einen heimtückischen Aggressor aus südlichen Gefilden. Die Asiatische Tigermücke treibt seit 2016 hier bei uns ihr Unwesen und seither versucht die Stadt jedes Jahr im Sommer, den Eindringling auszurotten. Und jedes Jahr tauchen die Viecher irgendwo anders wieder auf.

In manchen Sommern werden sie zu einer echten Plage, die nur wenige Millimeter großen Mücken sind ziemlich aggressiv. Ihre Stiche hinterlassen dicke, juckende Quaddeln. Sie stechen sogar durch Kleidung und greifen gern mehrere Menschen hintereinander an, vor allem aber sind sie, genau wie wir, tagsüber aktiv.

Avocados, Katzen, Supervulkane – die Welt ist voller Gefahren. In dieser Videoserie stellen die Spektrum-Redakteure Lars Fischer und Mike Zeitz regelmäßig spannende, ungewöhnliche oder einfach kuriose Dinge vor, die auf die eine oder andere Art zum unerwarteten Frühableben führen können.

Die übrigen Folgen der Serie finden Sie auf dieser Sammelseite.

Die Stiche selbst sind aber gar nicht so sehr das Problem. Das Problem ist eher was nachkommt, wenn man die Viecher ungehindert machen lässt. Tigermücken übertragen etwa 20 Krankheitserreger, darunter einige sehr unangenehme Tropenkrankheiten wie Dengue oder Chikungunya. Und weil sie so stechfreudig sind, sind sie ziemlich gute Virentaxis.

Deswegen hat man eben lange Zeit versucht, die Tigermücke ganz aus Deutschland rauszuhalten. Zwei Faktoren haben dazu beigetragen, dass das nicht funktioniert hat. Der erste ist der globale Fernhandel. Die Tigermücke kommt ursprünglich aus Südostasien, aber in Flugzeugen und Schiffen hat sie sich weltweit verbreitet. Nach Europa kam sie erstmals 1979 in einer Ladung Altreifen, ein wichtiger Transportweg ist auch importierter Glücksbambus.

Diese beiden Warentypen sind deswegen so bedeutsam, weil sie haufenweise kleine Tümpel mit stehendem Wasser enthalten. Im Ursprungsland legen die Mücken ihre Eier ins Wasser, und wenn die Fracht nach Europa kommt, schwärmt der Nachwuchs aus.

Jede Pfütze zählt

Solche kleinen Tümpel sind auch entscheidend für die Mückenbekämpfung hier in Heidelberg. Wenn man die Tigermücke ausrotten will, muss man all die kleinen Wasserreste zum Beispiel in Eimern, Regentonnen, Vogeltränken, alten Reifen aufspüren und unschädlich machen. In Heidelberg gehen Fachleute buchstäblich von Tür zu Tür, suchen solche Pfützen und behandeln sie mit einem biologischen Pestizid, dem Bt-Toxin, um die Mückenlarven zu töten. Außerdem setzt man in regelmäßigen Abständen sterile Mückenmännchen frei. Die paaren sich mit den übrig gebliebenen Weibchen, so dass große Teile der Eier unfruchtbar sind.

Der zweite Punkt ist der Klimawandel. Die Mücken sind zwar relativ widerstandsfähig, aber wenn es zu oft zu kalt ist, kommen sie nicht durch den Winter. Wo sich die Tigermücke dauerhaft ansiedeln kann, hängt also vor allem von den Wintertemperaturen ab. Und nach und nach werden die Winter immer milder, entsprechend breitet sich die Tigermücke langsam nach Norden aus. Dieses Muster beobachtet man nicht nur in Europa, sondern zum Beispiel auch China, wo die Ausbreitung der Mücke gleichbedeutend mit der Ausbreitung des Denguefiebers ist.

Hier in Deutschland allerdings übertragen die Insekten bisher keine Tropenkrankheiten. Das liegt einfach daran, dass die entsprechenden Krankheitserreger hier nicht vorkommen, und wenn doch mal Infizierte Menschen nach deutschland kommen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie dann auch noch von einer der recht raren Tigermücken gestochen werden. Diese Wahrscheinlichkeit möglichst niedrig zu halten ist auch der wesentliche Grund, weshalb man so radikal gegen die Mücken vorgeht. Zwischenzeitlich hatte sich nämlich auch mal eine Mückenpopulation in der Nähe des Uniklinikums etabliert, wo natürlich auch Leute mit Tropenkrankheiten behandelt werden.

Bisher übertragen die Mücken keine Viren

Außerdem ist es selbst in so einem Fall derzeit ziemlich unwahrscheinlich, dass die Mücken so ein Virus dann auch weiter geben. Auch das hat mit der Temperatur zu tun. Die Viren müssen sich ja in der Speicheldrüse der Mücke vermehren, damit sie beim nächsten Sich weitergegeben werden können. Und dieser Prozess ist meistens temperaturabhängig. Wenn es zu kühl ist, vermehrt sich das Virus in den Speicheldrüsen der Mücken zu langsam und kann beim Stich nicht übertragen werden. Das unterscheidet sich von Virus zu Virus: beim Denguevirus zum Beispiel liegt die Grenze für effektive Übertragung grob bei rund 25 Grad, bei Chikungunya deutlich niedriger. Diese beiden Faktoren machen es derzeit nahezu unmöglich, dass bei uns lange, ununterbrochene Ansteckungsketten auftauchen, die Viren brauchen, um Ausbrüche zu verursachen.

Im Rest von Europa kann das aber schon mal passieren. Schon 2007 gab es in Italien einen großen Ausbruch des Chikungunya-Fiebers mit über 200 Infizierten und einem Toten, und in mehreren Ländern Südeuropas gibt es immer wieder Fälle von Dengue. Man kann sich also inzwischen mitten in Europa eine echte Tropenkrankheit einfangen.

Und das wahrscheinlich auch bald in Deutschland. Denn dass man die Tigermücke hierzulande noch los wird, erscheint immer unwahrscheinlicher. Und durch den Klimawandel wird Deutschland ja sogar deutlich schneller wärmer als der übrigeGlobus, das heißt, die Mücke wird es weiter nach Norden schaffen. Und mit den regelmäßigen Infektionen mit Tropenkrankheiten im Rest von Europa werden die Viren dann auch hier auftauchen, sobald die Bedingungen passen.

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