Informationstechnologie: DNA als Massenspeicher der Zukunft
Immer schneller und kompakter werden moderne Datenträger, doch ihre Lebensdauer lässt zu wünschen übrig. Ohne sichere, aber teure Langzeitarchivierung sind Daten auf Festplatten, CDs und USB-Sticks zuweilen schon nach wenigen Jahren verloren. Wohin also damit? Die Natur kennt eine Lösung: DNA. Das Molekül kann Informationen hunderttausende Jahre speichern, zumindest wenn die äußeren Bedingungen stimmen.
Die Erbinformation, die in dem Molekül enthalten ist, steckt in der Abfolge der Buchstaben A, T, G und C (Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin), also in der Sequenz der Basen, aus denen es besteht. So liegt die Frage nahe: Könnte man auch digitalisierte Texte, Bilder oder Musik in dem DNA-Molekül archivieren? Schließlich arbeiten Computer auf Grundlage von Sequenzen aus Nullen und Einsen.
Ein vierminütiges Video auf dem Youtube-Kanal Seeker erklärt, wie ein solcher DNA-Datenträger funktionieren könnte. Die Idee ist einleuchtend. Einen digitalen Datensatz aus Nullen und Einsen kann man in die Buchstaben A, T, G und C des genetischen Kodes übersetzen. So erhält man den Bauplan für eine DNA-Sequenz, die sich anschließend künstlich im Labor herstellen lässt. Will man die gespeicherte Information wieder auslesen, greift man zum DNA-Sequenzierer.
Das gut recherchierte Erklärvideo überzeugt mit vielen anschaulichen Vergleichen und Verweisen auf wissenschaftliche Veröffentlichungen. Eingeblendete Bilder und einfache Animationen helfen beim Verständnis des anregenden, stellenweise aber fast hastigen Vortrags. Wenn es allerdings heißt, dass man heute bereits ein Zettabyte (eine Trillion Gigabytes) in DNA speichern könnte, dann ist das theoretisch möglich, aber längst noch nicht Realität. Den aktuellen Rekord hält Microsoft Research mit 200 Megabytes (siehe eine Studie in Nature) – das entspricht noch nicht einmal der Speicherkapazität einer CD.
Digitale Nullen und Einsen in eine ATGC-Bauanleitung zu übersetzen, ist ein Kinderspiel. Schwieriger ist der Zusammenbau der künstlichen DNA im Labor. Der gelingt bislang nur für sehr kurze Stücke von ein paar hundert Buchstaben. Deshalb müssen große Pakete an digitalen Daten in entsprechende Abschnitte unterteilt werden. Im Labor hergestellt werden dann sehr sehr viele künstliche DNA-Stücke, die jeweils einen Teil der Daten repräsentieren – für den 200 Megabyte-DNA-Speicher waren es ganze 13 Millionen!
Die DNA-Stücke werden zur Lagerung in einem Tropfen Wasser vermischt und anschließend in zufälliger Reihenfolge wieder ausgelesen. Die Information kommt dabei natürlich ganz schön durcheinander! Woher also weiß man, welches Fragment an welche Stelle des Datensatzes gehört? Hier hilft ein Trick: Bei der Herstellung der DNA fügt man extra DNA-Bausteine ein, die sozusagen als Adresse dienen und die Position im Datensatz anzeigen.
Kein Wunder also, dass das Ganze nicht ganz billig ist: Für nur ein Megabyte – das entspricht einem Foto oder einem Musikstück in schlechter Qualität – liegen die Kosten bei etwa 10 000 Euro für die Herstellung der DNA und bei ein paar hundert Euro für das Auslesen der Daten. Sobald die Kosten fallen, könnten DNA-Speicher für die Langzeitarchivierung durchaus interessant werden, denn in dieser Hinsicht sind sie unübertroffen. Wissenschaftler konnten beispielsweise die gesamte Erbinformation aus 700 000 Jahre alten Pferdeknochen auslesen. Der Blu-Ray als derzeit wohl haltbarstem Speichermedium traut man gerade einmal 100 Jahre zu. Solche Sensationen sind freilich nicht die Regel. In diesem Fall sind sie optimalen Lagerungsbedingungen in einem Permafrostboden zu verdanken. Die heimische Garage, wie es das Video irreführenderweise vorschlägt, kommt als Archivraum hingegen eher nicht in Frage: Hier vergammelt DNA binnen weniger Wochen. Schweizer Wissenschaftler haben aber bereits spezielle Glaskapseln für DNA-Datenträger entwickelt, in denen Daten im besten Fall über Millionen Jahre erhalten bleiben.
DNA-Datenspeicher werden wohl nie für Zwecke zum Einsatz kommen, für die wir heute elektronische Speicher nutzen. Zwar gibt es bereits die ersten DNA-Sequenzierer im Taschenformat, die es auch Laien ermöglichen, gespeicherte Information auszulesen. Aber die Lese- und Schreibgeschwindigkeit ist niedrig, alltagstauglich sind die Geräte ohnehin nicht.
Für die Langzeitarchivierung hingegen mag DNA eines Tages durchaus interessant werden. Vielleicht sogar aus wirtschaftlichen Gründen: Ein paar Gramm DNA in der Glaskapsel dürften im Vergleich mit heutigen Serverfarmen zukünftig recht gut abschneiden.
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