Dunkle Energie: Dunkle Energie und das Ende des Universums
Unser Universum besteht zu fast 70 Prozent aus Dunkler Energie. Ihre Natur ist unbekannt, sie zeigt sich lediglich als abstoßende Kraft über sehr große Raumvolumen. Bisher nehmen die meisten Wissenschaftler an, ihr Wert sei vom Beginn des Universums an konstant. In einer aktuellen Arbeit im »Nature Astronomy« widersprechen Guido Risaliti und Elisabeta Lusso aus Florenz und Durham dieser Idee. Ihre Ergebnisse, so sagen sie, deuten eher auf eine Zunahme der Dunklen Energie hin. Der Unterschied mag akademisch erscheinen, aber die Entwicklung des Universums nähme in diesem Fall einen gänzlich anderen Weg.
Um das besser zu erklären, hier zunächst einige Grundlagen. In einer klaren Nacht erscheinen vor unseren Augen einige tausend nahe Sterne, das strahlende Band der Milchstraße und der Andromedanebel, ein verschwommener Lichtfleck, den der Astronom Edwin Hubble erst 1923 als eigene – und nächstgelegene – Galaxie identifizieren konnte. Mit den großen Teleskopen des 20. Jahrhunderts blickten die Astronomen immer tiefer ins Weltall und fanden mehr Sterneninseln, als sie je vermutet hatten. Heute schätzt man, dass es im sichtbaren Teil des Universums mehr als eine Billion Galaxien geben muss. Das Universum ist aber nicht nur gigantisch groß, es steht auch nicht still. Die Galaxien entfernen sich voneinander, wie im Jahr 1927 der belgische Astronom Georges Lemaître herausfand. Je weiter zwei Punkte voneinander entfernt liegen, desto schneller streben sie auseinander. Weil das Universum homogen aufgebaut ist, sollte die Geschwindigkeit der Expansion jeweils zwischen zwei gleich weit voneinander entfernten Punkten überall dieselbe sein. Ihr Wert, gemessen in Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec (eine kosmische Einheit der Entfernung), ist als Hubble-Konstante bekannt, nach dem schon erwähnten Astronomen Edwin Hubble.
Vor Milliarden Jahren könnte die Konstante durchaus größer oder kleiner gewesen sein als heute, weshalb man auch vom Hubble-Parameter spricht. Eine genaue Bestimmung des heutigen Werts und seiner Entwicklung würde uns viel über die Entstehung und das weitere Schicksal des Universums verraten. Aber die Astronomen tun sich damit schwer. Galaxien bewegen sich nicht einfach voneinander fort, sie haben auch eine beträchtliche Eigenbewegung. Deshalb ergeben erst sehr viele Messungen weit entfernter Galaxien einen brauchbaren Wert. Dabei gibt es aber ein Problem: Während sich die Geschwindigkeit von Galaxien im Bezug auf die Erde gut feststellen lässt, kann man ihre Entfernung nur grob schätzen.
Astronomen können leicht messen, wie hell ein Objekt im Fernrohr erscheint. Doch erst, wenn sie zusätzlich zur scheinbaren Helligkeit die wahre Helligkeit kennen, haben sie genug Informationen, um die Entfernung zu bestimmen. Woher will man aber wissen, wie hell Sterne oder sogar ganze Galaxien wirklich sind? Schon vor mehr als 100 Jahren fanden die Astronomen eine geniale Lösung für das Problem. Einige veränderliche Sterne, die so genannten Cepheiden, pulsieren relativ regelmäßig, und ihre Periode verrät annähernd ihre wahre Helligkeit. Astronomen sprechen von einer so genannten Standardkerze. Bei weiter entfernten Galaxien ist diese Methode allerdings nicht mehr anwendbar, weil es unmöglich wird, einzelne Cepheiden noch zu erkennen. Die Grenze liegt heute bei der zehnfachen Entfernung der Andromeda-Galaxie. Zur sicheren Bestimmung der Hubble-Konstante reicht das nicht aus, denn dieses Raumvolumen deckt nur einen winzigen Bruchteil des sichtbaren Universums ab, und die Eigenbewegung der Galaxien erreicht fast die Größenordnung der Hubble-Konstante. Noch bis in die 1990er Jahre des 20. Jahrhunderts wichen die ermittelten Werte der Hubble-Konstante so weit voneinander ab, dass Spötter schon von der Hubble-Variablen sprachen.
Deshalb hielten die Astronomen nach deutlich helleren Standardkerzen Ausschau – und wurden fündig. Wenn ein Stern explodiert, also zur Nova oder zur Supernova wird, dann überstrahlt er manchmal für Tage oder Wochen ein gesamtes Sternensystem. Bei den Supernovae vom Typ Ia verrät der Ablauf der Explosion relativ exakt die wirkliche Helligkeit. Mit dieser Methode blickt man weit genug ins All, um die Hubble-Konstante auf wenige Prozente genau zu bestimmen. Dabei ergab sich eine Überraschung: Entgegen den Erwartungen ist die Hubble-Konstante heute größer als vor einigen Milliarden Jahren. Anders ausgedrückt: Das Universum expandiert immer schneller. Irgendetwas treibt es auseinander.
Mangels anderer Erklärungen sprechen die Kosmologen von einer Dunklen Energie. Jeder Kubikmeter Raum, so stellen sie sich vor, trägt konstante abstoßende Kraft in sich. Je weiter sich das Universum ausdehnt, umso größer wird die Summe der Dunklen Energie. Also fliegt es immer schneller auseinander. Das macht sich zum Glück aber nur auf große Entfernungen bemerkbar. Einzelne Galaxien werden von der Schwerkraft weiterhin zuverlässig zusammengehalten, entfernen sich jedoch immer weiter voneinander. Irgendwann würden wir von unserer Milchstraße aus keine anderen Sterneninseln mehr sehen können. Sollte sich in vielen Milliarden Jahren eine späte technische Zivilisation entwickeln, müsste sie annehmen, dass außer ihrer eigenen Galaxie keine weiteren Sternensysteme existieren. Nach einigen Billionen Jahren erlöschen schließlich die letzten Sterne, und die Welt wird dunkel, kalt und leer. Kein wirklich erstrebenswertes Ende – obwohl die Menschen dann natürlich längst ausgestorben sein werden.
Möglicherweise nimmt die Dunkle Energie aber im Lauf der Zeit zu, Astronomen sprechen dann von Phantomenergie. Sie führt zu einem sehr viel gewaltsameren Ende des Universums. Weil ihre abstoßende Kraft ständig zunimmt, macht sie sich irgendwann auch auf kurze Distanzen bemerkbar. In einer sehr fernen Zukunft werden die Milchstraße, das Sonnensystem, die Erde und schließlich die Elementarteilchen zerreißen. Astronomen sprechen deshalb vom »Big Rip«. Um feststellen zu können, ob unsere Welt tatsächlich von der Phantomenergie beherrscht wird, müsste man den Wert der Hubble-Konstante bis fast zur Geburt des Universums zurückverfolgen.
Genau das versucht die Studie, die Matt O'Dowd in diesem Video vorstellt. Sie beschreibt eine Methode, mit der die wirkliche Helligkeit von Quasaren bestimmt werden kann. Diese Objekte sind die hellsten Leuchttürme des frühen Universums – riesige Schwarze Löcher, die Unmengen von umgebendem Gas schlucken. Während das Gas unter immer schnellerer Rotation in das Schwarze Loch fällt, heizt es sich sehr stark auf und beginnt so hell zu leuchten, dass die Quasare zu den leuchtstärksten Objekten des Universums zählen. Wenn Risaliti und Lusso alles richtig gemessen haben, favorisieren ihre Ergebnisse eine Zunahme Dunkler Energie und einen – viele Milliarden Jahre entfernten – »Big Rip«. Die Methoden und Messwerte der aktuellen Arbeit müssen überprüft werden. Darüber hinaus hängt das Ergebnis vorläufig noch in der Luft, weil unabhängige Messungen der Hubble-Konstante mit verschiedenen Methoden zurzeit unvereinbare Werte ergeben. Das Thema bleibt also in jedem Fall spannend.
Das Video von Matt O'Dowd erklärt die in der Arbeit verwendete Methodik gut verständlich und umfassend. Allerdings sollte man sich doch mit dem Thema ein bisschen auskennen und keine Angst vor einfachen Formeln haben.
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