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Astrophysik: Dunkle Energie und Dunkle Materie – oder doch nicht?

Dunkle Energie und Materie faszinieren – gelten sie doch als beste Erklärungen für zu schnell rotierende Galaxien und ein beschleunigt expandierendes Universum. Trotzdem könnten diese auch ganz andere Ursachen haben.
What is Dark Matter and Dark Energy?

Veröffentlicht am: 06.08.2015

Laufzeit: 0:06:20

Sprache: englisch

Untertitel: deutsch

Das 2013 von Philipp Dettmer und Stephan Rether gegründete Münchner Designstudio Kurzgesagt produziert für seinen YouTube-Kanal Kurzgesagt – In a Nutshell regelmäßig und sehr erfolgreich kurze Animationsfilme – in erster Linie zu wisssenschaftlichen Themen.

Machen Physiker eine Beobachtung, die einer etablierten Theorie widerspricht, haben sie genau drei Möglichkeiten: Sie müssen die Theorie in passender Weise modifizieren, sie gänzlich verwerfen – oder aber die Existenz von etwas völlig Neuem postulieren. Etwas, was bislang noch niemand zu Gesicht oder vor die Messgeräte bekommen hat, was aber in der Lage ist, ihre Beobachtung zu erklären. Völlig unklar ist allerdings, welche der drei Alternativen jeweils die beste ist, um der wissenschaftlichen Wahrheit näher zu kommen.

Als die US-amerikanische Astronomin Vera Rubin in den 1970er Jahren den Andromeda-Nebel untersuchte, eine Nachbargalaxie der Milchstraße, stieß sie auf einen Widerspruch. Die Galaxie schien nicht so zu rotieren, wie sie es sollte. Genauer gesagt, die Sterne bewegten sich nicht mit der erwarteten Geschwindigkeit um das galaktische Zentrum, sondern viel schneller. Gemäß Newtons (und auch Einsteins) Gravitationstheorie gilt: Je weiter ein Stern vom Zentrum der Galaxis entfernt ist – dort ist der größte Teil der galaktischen Masse versammelt –, desto weniger spürt er den Einfluss der Gravitationskraft und desto langsamer bewegt er sich. Sterne, die sich nicht an diese Regel halten, sind entweder schon lange aus der Galaxie herausgeschleudert worden oder aber in ihr Zentrum gestürzt. Doch die äußersten Bereiche der Galaxie rotierten Rubins Beobachtungen zufolge viel schneller als theoretisch vorhergesagt.

Was tun? Die meisten Physiker haben sich, nachdem das Phänomen auch bei vielen anderen Galaxien nachgewiesen wurde, dafür entschieden, die Gravitationstheorie nicht anzutasten. Stattdessen nehmen sie an, dass dort draußen etwas ist, was wir zwar nicht sehen, was sich aber trotzdem an die Theorie hält. Jenes Unsichtbare im Kosmos nennen sie »Dunkle Materie«, eine Substanz also, die Licht weder aussendet noch reflektiert und daher nicht sichtbar ist.

Der Lohn ihrer Vorgehensweise: Sie können weiter an der Gravitationstheorie festhalten. Die Kehrseite: Um Recht zu behalten, müssen sie alles dafür tun, die Existenz der Dunklen Materie nachzuweisen. Ganz ähnlich erging es ihren Kollegen, die messen wollten, wie stark das Universum expandiert. Überrascht stellten diese fest, dass ihre Messungen an Supernovae für eine beschleunigte Ausdehnung des Universums zu sprechen schienen. Erwartet hatten sie das Gegenteil. Auch sie standen vor der Wahl: Sollten sie die etablierte Gravitationstheorie modifizieren, verwerfen – oder ihr weiter vertrauen? Und auch sie entschieden sich dafür, ein bislang unbekanntes Phänomen zu postulieren, welches das Universum auseinandertreibt, nämlich die »Dunkle Energie«.

Beide Phänomene und was wir über sie wissen, erläutert das von der Australian Academy of Science gesponserte Video auf dem populären YouTube-Kanal »Kurzgesagt  – In a Nutshell« mit tollen Animationen und in einer kompakten Darstellung. Allerdings: Solange weder Dunkle Materie noch Dunkle Energie tatsächlich nachgewiesen wurden, wäre auch ein Blick auf alternative Theorien angebracht gewesen. Dazu gehört die modifizierte newtonsche Dynamik, auch als MOND-Theorie bekannt. Ihr zufolge könnte eine Änderung der Gravitationsgesetze die Rotationskurven der Galaxien erklären: Massen, die weit voneinander entfernt sind, würden ein klein wenig stärker beschleunigt als von Newton (und Einstein) behauptet.

Zunächst schien es zwar, als könne MOND ein wichtiges astrophysikalisches Phänomen nicht erklären, nämlich so genannte Gravitationslinsen. Sie kommen zu Stande, wenn große Massen das Licht ablenken und in charakteristischer Form bündeln. 2004 jedoch schlug der israelisch-US-amerikanische Physiker Jacob Bekenstein auf Basis von MOND mit seiner Tensor-Vektor-Skalar-Theorie eine Erweiterung der einsteinschen Relativitätstheorie vor, mit der genau das gelang. Wenig später stellte auch der kanadische Physiker John Moffat vom Perimeter Institute eine »modifizierte Gravitationstheorie« (MOG) vor. In ihr ist die Gravitation auf großen Abständen ebenfalls stärker, als es die etablierten Theorien vorhersagen. Bei kleineren Abständen hingegen komme laut MOG neben den vier Grundkräften der Natur eine fünfte Kraft zum Tragen, die der Gravitation entgegenwirkt und sie abschwächt.

Doch die Existenz einer fünften Kraft ist, ebenso wie weitere Annahmen von MOND und MOG, derzeit genauso wenig bestätigt wie die Existenz Dunkler Materie oder Dunkler Energie. Daher bleiben all diese Theorien fürs Erste gleichermaßen spekulativ.

Auch für die Dunkle Energie gibt es alternative Ansätze. Manche Forscher überlegen, ob die Beobachtung der beschleunigten Expansion als Messfehler zu interpretieren ist; ihnen zufolge seien zu wenig ferne Galaxien in die Messung eingeflossen. Anderen zufolge liegt der Fehler darin, dass wir von einer einheitlichen Expansionsrate des Universums ausgehen: Falls aber weit entfernte Supernovae in einem Gebiet geringerer Expansionsrate liegen – weil dort mehr Masse existiert und die Ausdehnung stärker abbremst –, könnten wir aus ihrer Vermessung falsche Schlussfolgerungen ziehen.

Einen ähnlich klingenden Ansatz – der aber nicht mit der Massendichte, sondern mit der Stabilität der Raumzeit argumentiert – stellten Blake Temple und Zeke Vogler von der University of California und Joel Smoller von der University of Michigan, Ann Arbor, im Jahr 2017 vor. Auch in ihrem Ansatz gelten die einsteinschen Gleichungen unverändert – nicht aber die Annahme eines global gleichförmig expandierenden Universums. Wenn nun jedoch Bereiche der Raumzeit unterschiedlich schnell expandieren, können sie uns die Illusion einer globalen Expansion vermitteln.

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