Relativitätstheorie: Durchbruch mit Einstein
Den exzellenten unter den allgemeinverständlichen Videos oder Texten zu Wissenschaftsthemen gelingt eine gute Balance: Ihre Erklärungen sind einfach und doch korrekt. Dieses Video des Schülers Ryan Chester, das gerade den Breakthrough Junior Challenge gewonnen hat – die hochdotierten Breakthrough-Preise werden im Silicon Valley vergeben und unter anderem von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gestiftet –, schafft es leider nicht ganz in diese Spitzenkategorie. Denjenigen, die Chesters Erklärungen zur Speziellen Relativitätstheorie durch- und weiterdenken wollen, lauern dann doch zuviele potenzielle Missverständnisse auf.
Denn nein: Damit ein Inertialsystem als solches gelten darf, reicht es eben nicht aus, dass seine Bewegung weder schneller noch langsamer wird. Auch ein relativ zu einem Inertialsystem rotierendes Bezugssystem oder eines, das seine Bewegungsrichtung ändert, gehören nicht zu den Inertialsystemen. Also auch nicht jene Beispielsysteme, die Chester im Bild zeigt: das Flugzeug, das auf einer Kreisbahn um den Erdball fliegt, die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne oder unser Sonnensystem bei seiner Rotation um das galaktische Zentrum.
Davon abgesehen ist das Video sehr gut und abwechslungsreich gemacht, und wer nicht allzu tief durchdenken möchte, was da präsentiert wird, dürfte diese Schwächen gar nicht mitbekommen. Dass Chester mit Alltagsszenen und Installationen arbeitet – ergänzt durch Animationen und Arrangements von Bildern – anstatt mit reinen Computervisualisierungen, ist ein sehr ansprechender Präsentationsmodus. Wenn dann Popcorn samt Chester im scharf bremsenden Auto nach vorne fliegt, führt dies eindringlich vor Augen, dass es sich bei diesem eben gerade nicht um ein Inertialsystem handelt. Und auch das nachgestellte Zwillingsproblem – bei dem echte Personen (Mutter und Tochter vielleicht, die wohl auch den Prozess der unterschiedlich schnellen Alterung illustrieren sollen) und ein animiertes Raumschiff eine Rolle spielen – ist gut gelungen.
Die Idee, zur Erklärung der Zeitdilatation sämtliche molekularen Prozesse im menschlichen Körper zu winzigen Lichtuhren zu erklären, ist zwar holzschnittartig, aber eingängig. Und die einfachen Strichzeichnungen haben gerade deswegen Charme, weil sie alles andere als perfekt sind und damit weit entfernt von jenen Computeranimationen professioneller Wissenschaftssendungen, bei denen das, was illustriert werden soll, im völlig unnützen Pseudo-Fotorealismus der Texturen oder Hintergründe fast untergeht.
Insofern: Ein insgesamt sehr schönes Video, dem man ansieht, welche seiner Qualitäten die Jury überzeugt haben dürften – und das Chester jetzt ein Stipendium im Wert von immerhin 250 000 US-Dollar eingebracht hat, seinem Lehrer weitere 50 000 Dollar und seiner Schule 100 000 Dollar.
Wer aber dabei ist, sich sein eigenes Verständnis der Einstein'schen Theorien zu erarbeiten, muss eben irgendwann lernen, dass populärwissenschaftliche Präsentationen dafür oft keine so solide Grundlage bieten, wie sie es tun könnten.
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