Hirnforschung: Fußabdruck des Bewusstseins
Seit Jahrzehnten brennt der Hirnforscher Christof Koch für ein Thema: die neuronalen Grundlagen von Bewusstsein. Was sind etwa die minimal notwendigen physischen Bedingungen dafür, dass man eine bewusste Erfahrung von einem Schäferhund hat? Koch hat sie gemeinsam mit seinem Mentor Francis Crick (1916 – 2004), einem der Entdecker der Doppelhelix-Struktur der DNA, die "neuronalen Korrelate des Bewusstseins" getauft. In seinem Vortrag von 2014 auf der Berliner Wissenschaftstagung "Falling Walls" spricht der Chefwissenschaftler am Allen Institute for Brain Science in Seattle etwas populärer und metaphorischer vom "Fußabdruck" des Bewusstseins.
Es gibt verschiedene Theorien, wie Bewusstsein entstehen könnte. Koch streift sie leider nur kurz. Eine Theorie geht etwa davon aus, dass bewusste Erfahrungen aus dem synchronisierten Feuern von teilweise weit verteilten Neuronen hervorgehen. Koch hing dieser Theorie – was er in seinem Vortrag allerdings nicht erwähnt – gemeinsam mit Crick eine Zeit lang an. Heute favorisiert er eine andere Hypothese: die Theorie der integrierten Information, die der italienische Psychiater und Neurowissenschaftler Giulio Tononi von der University of Wisconsin formuliert hat. Aber auch auf diese Annahme geht Koch nur im Vorbeigehen ein.
In einem Artikel, den Koch für die Zeitschrift "Gehirn&Geist" schrieb, erfährt man hingegen Näheres: Bewusstsein hängt dieser Theorie zufolge davon ab, dass ein riesiges Repertoire an Informationen zu einem sinnvollen Zusammenhang verknüpft wird. So erleben wir zum Beispiel die Formen von Gegenständen immer mit Farben verknüpft. Dem Ausmaß an Verknüpfung, so die Behauptung, entspricht der Grad der Bewusstheit, was sich nach Koch und Tononi auch in der Komplexität der Verknüpfung im Gehirn widerspiegelt. Mit der Theorie könne man eventuell erklären, warum die Großhirnrinde mit Bewusstsein assoziiert ist, schließlich ist sie besonders komplex verschaltet.
Doch Christof Koch geht es nicht nur um solche, noch spekulative Theorien, sondern auch um das empirisch Messbare. Hier hält er die Ebene von Neuronen im Gehirn für entscheidend. Am Allen Institute for Brain Science stemmt er zusammen mit Hunderten von Kollegen aus allen möglichen Disziplinen zwei Großprojekte: eines widmet sich dem menschlichen Gehirn, ein anderes der Denkzentrale der Maus. Die Forscher katalogisieren unter anderem die verschiedenen Zelltypen in der Großhirnrinde und kartografieren die Verbindungen zwischen den Neuronen.
Leider wirkt der Vortrag von Anfang bis zum Ende ein wenig gehetzt. Koch reißt viele Themen eben nur kurz an. Daher erfährt der ein wenig vorgebildete Zuschauer wenig Neues, während Koch bei anderen Zuschauern so manches Fragezeichen hinterlassen wird. Da hilft nur: Nachlesen!
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