Gentechnik: Gentechnik: Mücken ohne Malaria?
Maus müsste man sein – zumindest wenn man in Malaria-Gebieten unterwegs ist. Denn die Nager sind resistent gegen die gefährliche Tropenkrankheit, die durch Stiche von infizierten Mücken übertragen wird: Ihr Immunsystem tötet den Parasiten einfach ab. Könnte man die Resistenzgene der Maus in das Erbgut der Mücke einschleusen, um die Übertragung von Malaria zu stoppen? Und sollte man es wagen, diese gentechnisch veränderten Mücken in die freie Wildbahn zu entlassen?
Ein unterhaltsames Video des YouTube-Kanals Kurzgesagt – In a nutshell möchte einen gesellschaftlichen Dialog zu diesen Fragen in Gang setzen – aus konkretem Anlass: Tatsächlich haben Forscher um Valentino Gantz von der University of California in San Diego 2015 das Malaria-Resistenzgen der Maus isoliert und mit Hilfe der Genschere CRISPR in die DNA der Mücke eingebracht. Damit die Resistenz in der gesamten Mückenpopulation verbreitet werden kann, nutzten die Wissenschaftler die Methode des so genannten »gene drive«: Ist das veränderte Gen beispielsweise nur auf dem Chromosom mütterlicherseits vorhanden, wird es durch ein spezielles Enzym, einen Eiweißbaustein, auch auf das väterliche Chromosom kopiert. Auf diese Weise stellt man sicher, dass eine gentechnisch veränderte Mücke die Resistenzgene an fast die ganze Nachkommenschaft weitergibt – und nicht, wie es sonst geschehen würde, an statistisch die Hälfte des Nachwuchses. Man müsste damit also nur einige wenige Mücken gentechnisch verändern, um Einfluss auf die ganze Population zu nehmen – ein genetischer Schneeball-Effekt sozusagen.
Anhand von Animationen erklärt das Video die wissenschaftlichen Zusammenhänge anschaulich und wägt anschließend das Für und Wider eines gentechnischen Freilandversuchs ab. Dabei wirkt es zuweilen dramatisierend – nicht allein durch die effektvolle Musikuntermalung: Es lässt kaum Zweifel daran, dass sich Malaria ausrotten ließe, wenn man die CRISPR-Mücken denn frei ließe. Die Wissenschaftler um Gantz selbst sehen das ganz anders und räumen bereits in ihrer Originalveröffentlichung ein: Ihre gentechnisch veränderten Mücken allein werden Malaria nicht beseitigen können. Das bestätigen auch neue Forschungsergebnisse: Riesige Mückenkäfige sollen die Bedingungen im Freiland nachstellen. Nach anfänglichen Erfolgen zeigte der Großversuch schnell, dass die Mücken Resistenzen gegen die Malaria-Resistenz entwickelten. Das liegt nicht zuletzt am CRISPR-System selbst: Eine Mutation an der Stelle, an der CRISPR eigentlich andockt, genügt, und die Genschere erkennt den Zielort im Erbgut nicht mehr.
Auch an anderen Stellen übertreibt und beschönigt das Video: CRISPR ist zweifelsohne ein bedeutsames Werkzeug der Gentechnik, aber vielleicht nicht ganz so revolutionär wie im Video dargestellt. Von einem Wunderwerkzeug, das Vögeln nach Belieben Geweihe aufsetzt – wie in der Animation –, ist die Wissenschaft weit entfernt. Denn oft sind die Zusammenhänge zwischen Genen und den gewünschten Merkmalen komplex. Außerdem war es durchaus auch vor der CRISPR-Ära möglich, Erbgut gezielt zu verändern.
Fazit: Vielleicht hilft eine überspitzte Darstellung wie in dem Video dabei, frühzeitig die notwendige gesellschaftliche Diskussion in Gang zu bringen. Denn mit den malariaresistenten Mücken würde man tatsächlich gentechnisch veränderte Organismen im Freiland aussetzen, deren Gene das Ökosystem und den Genpool verändern könnten. Dem gegenüber steht die Gefahr des Vertrauensverlusts, wenn sich Versprechungen mittelfristig als unhaltbar herausstellen. Denn inzwischen scheint klar: Auch das Aussetzen von gentechnisch veränderten Mücken wird Malaria – zumindest in den nächsten 10 bis 20 Jahren – nicht besiegen können.
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