Neurowissenschaft: Gibt es geborene Verbrecher?
"Gibt es geborene Verbrecher?" Hört man diesem Vortrag des Bremer Biologen und Hirnforschers Gerhard Roth zu – klug zusammen geschnitten auf inhaltsvolle 37 Minuten –, beschleicht einen unwiderstehlich das Gefühl: Die wesentlichen Zusammenhänge zwischen Gehirn, Umwelt und gewalttätigem Verhalten sind geklärt, wir haben es nur noch nicht mitbekommen. Frühkindliche Traumata, niedrige Serotoninspiegel und Auffälligkeiten des Gehirns – dieses und manches mehr wirkt in einigermaßen verstandener und überschaubarer Form zusammen und mündet unter bestimmten Umständen in Gewaltkarrieren. Am Ende kommen mal impulsiv-reaktive Wiederholungstäter raus, mal proaktiv-psychopathische Gewalttäter. Eigentlich ist alles ganz einfach. Hitler? Goebbels? Da muss man doch nur die Biografien lesen.
Roth, der es natürlich besser weiß, stellt zu simpel dar, was so simpel nicht ist. Manchmal tut er das auf geradezu fahrlässige Weise. "Wenn man gesunde Gene hat, dann ..." Solche Wenn-Dann-Konstruktionen und die Andeutung direkter Zusammenhänge, wo allenfalls von "überzufälligen" Korrelationen die Rede sein kann, werden der komplexen Sachlage nicht gerecht, und schon gar nicht denjenigen, über die Roth hier spricht. Damit nimmt er auch diejenigen in unserer Gesellschaft nicht ernst, die sich für eine differenzierte Darstellung interessieren und daraus Erkenntnisse gewinnen wollen. An wen richtet sich Roth aber dann?
Hörenswert ist der Vortrag trotzdem, immerhin berichtet er von einer langen Reihe solider empirischer Zusammenhänge. Wie diese Zusammenhänge genau zu verstehen und zu bewerten sind, müssen wir aber anderswo nachlesen.
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