Vom Hoflieferanten zum Dienstleister: GlobeNet und die Zukunft der Raumfahrtindustrie in Europa
Die Verantwortlichen des Europäischen Data Relais Systems EDRS kommen über das technologische Vermögen des eigenen Systems schon mal ins Schwärmen. Es sei, so EDRS-Programmleiter Bas Theelen von Airbus Defense and Space, schier unglaublich, dass es gelingt, einen sich bewegenden Satelliten in 35.000 Kilometern Entfernung mit einer Präzision zu orten, die in dieser Entfernung der Größe einer Euro-Münze entspricht, und dann über diesen Laserstrahl auch noch Daten in Hochgeschwindigkeit auszutauschen. Die Laserkommunikation macht’s möglich – und für sie hat allein Airbus Defense and Space 140 Millionen Euro auf den Tisch gelegt; die restlichen 350 Millionen, die für die Entwicklung von EDRS aufgebracht werden mussten, kamen aus öffentlichen Töpfen, beispielsweise von der ESA und aus nationalen Forschungs- und Förderetats.
Doch es geht bei der Weltpremiere "made in Europe" nicht nur ums technologische Schaulaufen, also um die Pole Position in der optischen Nachrichtenübertragung aus dem All – es geht vor allem darum, dass sich die europäische Raumfahrtindustrie damit gerade neu erfindet. Angesichts der Kommerzialisierung der Weltraumtechnologien steht auch die europäische Branche am Scheideweg. Weitermachen wie bisher ist keine brauchbare Perspektive mehr. Hoflieferantentum für Behörden kann das Überleben in der Zukunft kaum noch sichern. Der Weg in eine neue Zukunft muss gefunden werden: Und EDRS könnte so einer sein.
Für Airbus Defense and Space bringt EDRS einen unternehmerischen Neuanfang: Dienste-Orientierung, Kundennähe und kommerzieller Betrieb stehen oben auf der Agenda – Facetten, die erst gelernt und verinnerlicht werden müssen. EDRS fordert also zuerst einmal ein Umdenken, wie Bas Theelen, EDRS-Programmleiter bei Airbus, es in einem Interview mit HYPERRAUM.TV formuliert. Das Schöne am Laserkomm-Konzept ist dabei, dass der europäische Luft- und Raumfahrt-Gigant damit zwar unternehmerisches Neuland betritt, aber doch auch die bestehenden Strukturen sinnvoll eingefügt werden können. Die ESA als erster, sicher auch auf Dauer gut zahlender Kunde, der als Mitfinanzier in dieser Public-Private-Partnership nicht nur Nutzerinteressen verfolgt, sondern selbst erhebliches Eigeninteresse am Erfolg des Betriebs hat. Nach dem eher dahin dümpelnden Galileo-Projekt, bei dem schon einmal ein Anlauf zu einer Private-Public-Partnership unternommen worden war, soll beim zweiten Versuch mit EDRS jetzt ein echter Meilenstein mit kommerzieller Relevanz kommen. Also: Die ESA als Großabnehmer für EDRS ist mit dem Erdbeobachtungsprogramm Sentinel schon gesetzt.
Und dann ist da noch das Militär, zu dem der langjährige High-Tech-Lieferant Airbus die besten Beziehungen pflegt. Als wohl gesonnener Kunde signalisiert er bereits mehr als bloßes Interesse, den sicheren Daten-Highway künftig für eigene Zwecke nutzen zu wollen: etwa für den breiten Datenstrom von Drohnen-Sensoren. Militärstrategen sind inzwischen bereit, auch über den Einkauf extern betriebener Dienste zu sprechen, sofern deren Datensicherheit wie bei EDRS auf hohem Niveau gewährleistet werden kann.
All das lässt vermuten: Beim Europäischen Datenhighway kann’s für den Betreiber Airbus wohl kaum einen harten Fall geben, das Risiko bleibt überschaubar. Mit "GlobeNet" liegen bereits Pläne im Schreibtisch, die Satelliten-Doppelkonstellation von EDRS auf vier Positionen zu erweitern; gleichzeitig könnten die beiden dann neu hinzu kommenden Satelliten mit mehr als jeweils einem Laser ausgerüstet werden und damit die Kapazität des Dienstes weiter hochfahren. Die Vision der Verantwortlichen: ein globales IT-Netz für unterschiedlichste Anwendungen – bis hin zum weltweiten Monitoring von Transportschiffen. Ob und wann es dazu kommen wird? Da hält sich Bas Theelen heute noch bedeckt. Denn es gibt viele Aspekte des neuen Geschäftsfeldes zu klären und schon jetzt ein hohes Investment von 140 Millionen Euro für ein Projekt, das zuerst einmal nachweisen muss, dass es auf einer kommerziellen Erfolgsschiene fährt. Auch anvisierte Kooperationen stehen zur Disposition. Es wird also dauern, bis die Raumfahrt-Granden von Airbus grünes Licht für den globalen Ausbau von GlobeNet geben.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.