Im Galopp durch den Sand: Die schnellsten Ameisen der Welt
Die Silberameise (Cataglyphis bombycina) versinkt nicht im heißen Sand. Denn sie beherrscht eine spezielle Gangart: den Galopp. Ein Forscherteam um Harald Wolf von der Universität Ulm beobachtete die Wüstenbewohnerin bei Feldstudien im Süden Tunesiens. Wenn sie all ihre sechs Beine gleichzeitig in die Luft wirft, erreicht die Silberameise eine Höchstgeschwindigkeit von 0,855 Metern pro Sekunde – das entspricht etwa 3 Kilometern pro Stunde. Damit ist sie die schnellste Ameise der Welt. Pro Sekunde bewege sie sich um das 108-Fache ihrer Körperlänge vorwärts, schreibt das Team nun in der Fachzeitschrift »Journal of Experimental Biology«.
Um die Ameisen zum Galoppieren zu bringen, lockten die Forscher sie ans Ende eines geraden, mit Sand ausgestreuten und mit einer Deckenkamera ausgestatteten Tunnels – mit Hilfe von Futter. »Silberameisen lieben Mehlwürmer«, erklärt Sarah Pfeffer in einer Pressemitteilung. Gemeinsam mit ihren Kollegen wertete die Biologin die Bewegungen der Gliederfüßer aus. Einige Exemplare nahm das Team mit nach Deutschland und führte dasselbe Experiment im Labor, bei kühleren Temperaturen, durch. Hier passierten die Silberameisen den Tunnel deutlich langsamer. Am schnellsten waren sie in der Wüste Tunesiens – und zwar zwischen 11 und 15 Uhr, wenn die Lufttemperatur etwa 45 Grad Celsius beträgt. Während andere Tiere lieber Siesta halten, haben sich die Wüstenameisen offenbar auf Galopprennen – und Futtersuche – in der Mittagshitze spezialisiert.
Die ebenfalls in Tunesien heimische, verwandte Ameisenart Cataglyphis fortis bringt es nur auf eine Maximalgeschwindigkeit von 0,62 Metern pro Sekunde, was in ihrem Fall – die Tiere sind etwas größer – 50 Körperlängen pro Sekunde entspricht. Und das, obwohl ihre Beine um fast 20 Prozent länger sind als die von Silberameisen. Als sich das Forscherteam die Beinarbeit der beiden Ameisenarten genauer anschaute, stellte es fest, dass Silberameisen ihre rund 5 Millimeter langen Beinchen deutlich schneller schwangen: Sie machten etwa 47 und damit rund ein Drittel mehr Schritte pro Sekunde als ihre größeren Verwandten. Ab Geschwindigkeiten von mehr als 0,3 Metern pro Sekunde wechselten sie außerdem die Gangart. Sie verfielen in eine Art Galopp, bei der alle sechs Beine gleichzeitig in der Luft sind. Solche Schwebephasen kamen bei Ameisen der Spezies Cataglyphis fortis viel seltener vor. Insgesamt können sie ihre Beine wohl weniger gut koordinieren als Silberameisen. Besonders bei langsameren Tempi hatten sie häufig mit mehr als drei Füßen Kontakt zum Boden, während ihre flinken Verwandten ihre Beine hier sauber in Dreiergruppen gebrauchten: drei auf dem Boden, drei in der Luft.
Die Silberameise ist allerdings keineswegs das schnellste Insekt der Welt. Der Sandlaufkäfer (Cicindela) erreicht beispielsweise eine Geschwindigkeit von 6,8 Stundenkilometern. Das sind 171 Körperlängen pro Sekunde. Ein durchschnittlich großer Mensch müsste hierfür rund 300 Meter pro Sekunde rennen – das entspräche etwa 1000 Kilometern pro Stunde.
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