Kognitionsforschung: Knigge für Roboter
Noch gibt es ihn nicht: den Knigge für Roboter! Doch je weiter die technologische Entwicklung der früher in Isolation arbeitenden Industrieroboter fortschreitet, und es schon absehbar wird, dass sie immer mehr in den Dienstleistungsbereich der Gesellschaft hineinwachsen, desto mehr wird die Mensch-Maschine-Schnittstelle auch ein Forschungsgegenstand der Sozialwissenschaften. Sollen Roboter im Alltag keine Fremdkörper bleiben, dann müssen sie ihre Aufgaben künftig nicht nur präzise erledigen, sondern sich auch an die Gepflogenheiten menschlicher Interaktion anpassen. Wie diese bei Robotern gestaltet werden könnte, ist die Domäne von Verhaltensforschern. Eine von ihnen ist die promovierte Verhaltensforscherin Agnieszka Wykowska. Sie arbeitet am Institut für kognitive Neurowissenschaften an der TU München. Susanne Päch hat sie dort besucht, zeigt den Versuchsaufbau und berichtet über ihre Forschungsziele.
Obwohl das menschliche Verhalten längst noch nicht geklärt, handelt es sich doch, wie Agnieszka Wykowska betont, um Vorgänge des "superkomplexen" menschlichen Gehirns. Dennoch beginnt sie mit Forschungen zu ergründen, wie sich ein Roboter in der Kommunikation mit Menschen künftig "politisch korrekt" verhalten muss, um als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt zu werden – und unterscht dabei gleichzeitig das menschliche Verhalten. Kurz um, es geht um die Frage: Wie muss sich ein Roboter verhalten, damit ihm sein Gegenüber adäquate Aufmerksamkeit schenkt? Solche Forschungen gehen inzwischen weit über das hinaus, was der Biochemiker und Science-Fiction-Autor Isaac Asimov 1950 mit seinen drei Robotergesetzen formuliert hat. Erstens: Ein Roboter darf kein menschliches Wesen wissentlich verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen wissentlich Schaden zugefügt wird. Zweitens: Ein Roboter muss den ihm von Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. Drittens: in Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.
Die gebürtige Polin Agnieszka Wykowska arbeitet an der TU München im Institut für kognitive Systeme; sie ist dort derzeit die einzige Sozialwissenschaftlerin unter vielen Ingenieuren, Informatikern und Computerwissenschaftlern, die sich mit der Grundlagenforschung der Robotik befassen. In ihren Verhaltenstests versucht die Kognitionsforscherin die Frage zu ergründen, welche Voraussetzungen bestehen müssen, damit Menschen dem Wesen Roboter die gleiche Aufmerksamkeit schenken wie anderen Menschen. Kommunikatives Verhalten ist von vielen Komponenten geprägt: emotional gesteuerte Mimik und Gestik, die Bewegungen der Augen und deren Blickrichtung – all das spielt eine Rolle, wenn es darum geht, wie wir unser Gegenüber einschätzen und mit ihm kommunizieren. Künftige Roboter sollen alle diese Elemente für die direkte Interaktion mit Menschen einsetzen, im Verhalten eben "menschlich" werden.
Derzeit ist die Wissenschaft nicht in der Lage, genau zu erklären, wie all diese Komponenten in das kommunikative Verhalten unter Menschen einfließen und das entsteht, was wir "Aufmerksamkeit" nennen. Dennoch sind solche Forschungen schon für Therapie von Autisten im Einsatz. Noch gibt es keine umfassende Theorie über die genauen Mechanismen dieses veränderten Sozialverhaltens. Es handelt sich jedoch unter anderem um eine Störung der Informationsverarbeitung von Sinneseindrücken. Zu den autistischen Symptomen zählt typischerweise das Gefühl, schnell einem "Information-Overflow" ausgesetzt zu sein. Auch in der Kommunikation sind bei diesen Menschen wechselseitiger Gesprächsaustausch, Flexibilität im Sprachausdruck und in der Sprachmelodie sowie in der begleitenden Gestik wenig ausgeprägt. Autistische Menschen mögen also "reduzierte" Kommunikation und sind im Dialog mit Robotern besonders aufmerksam. Sie fühlen sich aufgrund der noch sehr einfachen Ausdrucksmöglichkeiten von Robotern in der Kommunikation mit diesen besonders wohl. Dank solcher Erkenntnisse können heute schon Roboter für die Therapie der Krankheit eingesetzt werden.
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